2005 begann die Zusammenarbeit zwischen dem Filmkomponisten Rolf Wilhelm und dem Alhambra Team John Elborg und Stefan Schlegel. Eine fruchtbare und vertrauensvolle Arbeit in deren Verlauf Rolf Wilhelm sein filmmusikalisches Schaffen sichtet, zusammenfasst und einer CD Veröffentlichung zugänglich macht. Schwerpunkt ist nicht die Komplettierung seiner Filmmusiken sondern die Schaffung eines durchgängigen Hörerlebnisses, dass beim Zuhörer nachhaltig in Erinnerung bleibt. So finden sich neben bekannten Kassenschlager auch weniger gängige oder in Vergessenheit geratene Filmtitel.
Für die CD Produktion wurden alle Filmmusiken von Roland Kuscheklanglich behutsam restauriert und in einem vorzüglichen Klang abgemischt. Selbst 50 Jahre alte Bänder erklingen in einem erstaunlich homogenen und perfekten Klangbild. Selbst für die verschollene Filmmusik Das schwarz-weiß-rote Himmelbett schafft der Tonmeister aus einem perforierten Magnetband des Filmarchivs der Franz Seitz Filmproduktion einen geradezu strahlenden Glanz.
Einheitlich im Design erscheinen nach und nach im Laufe der Jahre 5 einzelne CDs. Prachtvoll im edlen Rot gehalten und unverwechselbar. Daher ist es fast logisch, dass sich das Artwork von Björn Riemann in der abschließenden 6er CD Box widerspiegelt. Ein aufwendiges Booklett mit Hinweisen zur CD Produktion, den einzelnen Filmtiteln und kurzen musikalischen Einführungen der einzelnen Tracks runden die Rolf Wilhelm Retrospektive ab.
Inhalt der 6er CD Box sind die bisher einzeln erhältlichen ersten 5 CDs der Rolf Wilhelm Deutsche Filmmusikklassiker. Die Box wird ergänzt um den 6. Teil der Serie, der nur in dieser Box erhältlich ist. Limitiert auf nur 200 Exemplare und zu einem erstaunlich günstigen Preis wird sinfonische Filmmusik einmalig und vorbildlich dem Sammler zugänglich gemacht. Der gesamten Produktion ist deutlich anzumerken, dass es sich um ein engagiertes Projekt handelt in deren Fokus das filmmusikalische Schaffen des Filmkomponisten Rolf Wilhelm steht.
Die ersten beiden CDs der vorliegenden Box beschäftigen sich mit der Musik zu Michael Kehlmanns Verfilmungen von Joseph Roths Romanen. Für diese Produktionen kann Rolf Wilhelm auf die Münchener Philharmoniker, die Wiener Symphoniker und das Orchester der Wiener Volksoper zurückgreifen. Es entsteht für Tarabas (1982) eine schwermütig klingende slawisch angehauchte Musik, der gerade zu Beginn kontrastierend aggressive Klänge und dissonante Klangflächen gegenübergestellt werden. Der musikalische Ansatz für Hiob (1978) hingegen sind folkloristische Elemente mit jüdischem Einschlag. Gerade in der Sologeige erklingt das jüdische „Kol nidrei“, das als Ausdruck des frommen Gottvertrauens eingesetzt wird. Kurze Zitate aus Dvoraks Neuer Welt runden die Partitur ab.
Für Flucht ohne Ende (1985) verwendet Wilhelm russische Elemente und bindet sie vorzüglich in den Orchesterpart ein. Schwermütige Melodien und klagende Phrasen begleiten die Protagonisten auf ihrer beschwerlichen Flucht durch die unendlichen Weiten Russlands. Hauptthema für den Film Radetzkymarsch (1965) bildet der namensgebende weltberühmte Marsch. Um diesen herum entwickelt Wilhelm fröhliche Polka, Marschmusik und tragische Momente. Don Carlos entstand 1960. Das Hauptthema basiert auf einer von der Laute vorgetragenen altspanischen Weise. Spanische Musik bildet das Hauptgerüst der Partitur und untermalt den Prunk der spanischen Renaissance. In der fast 14 minütigen Suite werden die wichtigsten Themen zusammengefasst.
1967 entsteht die Musik zu Die Helden von Kummerow. Der Film basiert auf dem Buch von Ehm Welk und schildert die Vorkommnisse und Streiche in der kleinen pommerschen Stadt in der Nähe von Stralsund. Es ist die erste gesamtdeutsche Romanverfilmung die an Originalschauplätzen in Pommern gedreht wurde. Die Musik ist ganz auf die Handlung ausgerichtet und untermalt die Idylle der Landschaft und die kleinen Streiche der Kinder. Die sinfonische Musik zur Paul May Verfilmung Via Mala (1961) steht im starken Gegensatz zur lustigen Musik aus Kummerow. Die düstere Titelmusik zeigt den Weg in die Tragödie um den Sägewerksbesitzer Lauretz und seiner Familie. Neben elegischer Musik für Natur und Trostlosigkeit gesellt sich eine zarte steigernde Musik für die Liebesszene, ehe alles in bedrückende und morbide musikalische Wandlungen zum Vatermord enden.
Die vierte CD ist eine Mischung unterschiedlichster Filme. Schwerpunkt bilden sicher die beiden Thomas Mann Adaptionen Doktor Faustus(1982) und Tonio Kröger (1964). Neben Stilmitteln der Zwölftontechnik aus ersterem Film besticht im zweiten Film die graziös elegante Melodik. Zum ersten Mal auf Tonträger kommen sinfonische Suiten aus Die weiße Stadt (1975), Zahnschmerzen (1975) und Kennwort Reiher (1963) zu Gehör.
Die fünfte CD enthält populäre und bekannte Filmmusiken. Vor allem die beiden Loriot Komödien Ödipussi (1988) und Pappa Ante Portas(1991) dürften einem breiten Publikum bekannt sein. Erich Kästners Das fliegende Klassenzimmer (1973) war für Rolf Wilhelm die 50. Filmmusik. Eine unterhaltsame Musik im Zeitkolorit, die die Abenteuer um Justus und dem Nichtraucher begleitet. Die Titelmusik begleitet mich bis heute und bereitet mir immer wieder Freude. Gerne wäre ich auf dem Internat und hätte die Abenteuer miterlebt
Für die sechste CD werden bisher unveröffentlichte Filmscores in vorbildlicher Weise vom Komponisten zu längeren Suiten zusammengefasst. Es handelt sich hierbei um populäre Filme der 60iger Jahre, die immer wieder im Fernsehen wiederholt werden und nach wie vor einer großen Beliebtheit unterliegen. Gerade die Lausbubengeschichten von Ludwig Thoma unter der Regie von Helmut Käutner sind fester Bestandteil im Fernsehprogramm. Hier entwickelt Rolf Wilhelm eine originelle Mischung aus folkloristischen Elementen, bekannten Märschen und volkstümlichen Waisen. Gehalten in einem modernen sinfonischen Bläserensemble erklingt mit ironischem Blick süffisante Folklore.
Den Abschluss der Rolf Wilhelm Retrospektive bildet die Musik zu dem Agententhriller von Johannes Mario Simmel Es muss nicht immer Kaviar sein. In der 12 minütigen Suite erklingt ein Kaleidoskop unterschiedlichster musikalischer Zitate und Musikstile. Neben dem Kaviar Marsch, der Marseillaise und dem Chantal Thema werden die Spielorte Berlin, London, Paris, Madrid, Schottland und Russland musikalisch dargestellt. Eine politische Komödie die fröhlich und frivol parodiert wird.
Die vorliegende Rolf Wilhelm CD Box ist ein einmaliger und wahrer Schatz der deutschen Filmmusik. Dem Vergessen entrissen und dem Hörer zugänglich gemacht, kann man nachvollziehen wie sich die Filmmusik über fast 50 Jahre in Deutschland entwickelt hat. Von sinfonischer Musik der Spätromantik und der Moderne bis hin zu operettenhaften Klängen und populären Arrangements bleibt sich Rolf Wilhelm treu und schafft unvergessliche Momente. Ein wahrer Hörgenuss der Spaß auf mehr macht.
ROLF WILHELM – DEUTSCHE FILMKLASSIKER Alhambra A 9008 6 CD Box (417 Min.)
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