Review aus The Film Music Journal No. 33/34, 2005
Von all den bekannten Kriegsfilm-Musiken des Ron Goodwin war OPERATION CROSSBOW bisher der einzige Score, der nie veröffentlicht wurde. Lediglich der «Main Title», der unverkennbar die Handschrift des Komponisten trägt, fand sich auf dem einen oder anderen Sampler. FSM hat sich des in Teilen recht ansprechenden Scores jetzt angenommen.
Die Musik zu diesem Thriller, der von alliierten Agenten handelt, die nach Deutschland eingeschleust werden, um in der Identität von gefallenen Wissenschaftlern das fortschreitende Raketenprogramm der Nazis zu sabotieren, kann man grob in drei Teile gliedern. Der erste Teil befasst sich vornehmlich mit bemannten Testflügen und ihren Folgen. In «Flying Bomb» und «Peenemünde» führt Goodwin seine Raketenmusik ein: Vibrierend verharrende Ostinati der tiefen Streicher, ungeduldige Staccato-Einwürfe des Bleches und endlich befreiendes Aufsteigen des Orchesters. Zwischendurch erklingt «Der gute Kamerad»; die Flüge fordern ihre Opfer.
Der mittlere Teil spielt in einem deutschen Hotel, wo der kurze Auftritt von Sophia Loren – die als Gattin des Mannes, in dessen Identität George Peppard geschlüpft ist, die Mission beinahe scheitern lässt – mit einem wehmütigen, rückwärtsgewandten Liebesthema einhergeht. Ansonsten bietet diese Sequenz Suspense-Musik, die man sich etwas fantasievoller gestaltet gewünscht hätte.
Der letzte Teil führt zur Entscheidung in einer Abschussbasis. Nun schraubt Goodwin die Spannungsschraube an. Die Raketenmusik kehrt in verschiedenen Intensitätsstufen zurück, außerdem setzt sich ein absteigendes Viertonmotiv des Vibraphons in Szene, welches wie das Ticken einer Uhr daran erinnert, dass die Agenten jeden Augenblick entdeckt werden können. Die Musik wird hektischer, treibt zur Eile, der Start einer Langstreckenrakete muss verhindert werden. Triumphal verkündet schließlich das Hauptthema im «End Title», dass der Flugkörper am Boden geblieben ist.
Auch in WHERE EAGLES DARE begeben sich Agenten in feindliches Gebiet. Ein Elitetrupp unter Führung von Richard Burton und Clint Eastwood macht sich auf, einen amerikanischen General aus einer Gebirgsfestung der Nazis rauszuhauen. Der Score zu diesem Film – hier komplett und in der Filmversion – dürfte einer der populärsten von Goodwin sein. Nicht zu Unrecht. Ich kenne keine Musik von Goodwin, die konsequenter durchgezogen ist, und auf dem Gebiet des Kriegsfilms ist sie eine der bezwingendsten überhaupt. Man höre sich nur den Eröffnungstrack an, und sofort wird klar, was Sache ist. Die Marschtrommeln geben das Tempo vor, dann erheben sich kampfbereite Blechbläser mit dem Hauptthema; die folgende Fuge signalisiert totale Entschlossenheit. Straff organisiert und zum Äußersten bereit drängt die Musik vorwärts, nie das Ziel aus den Augen verlierend. Kompromisslos bahnen sich Thema und Fuge ihren Weg durch den Score.
Für zusätzlichen Spannungsaufbau dient ein aufsteigendes Viertonmotiv, das von wechselnden Instrumentengruppen in mehreren Tracks immer wieder aufgegriffen und zum Teil ausgedehnt vorgetragen wird. Dies mag dem einen oder anderen Hörer
viel Geduld abverlangen, da übers Ganze gesehen eine gewisse Monotonie nicht von der Hand zu weisen ist; für mich jedoch gehören gerade diese hartnäckig immer wiederkehrenden Motivzellen zu den Stärken des Scores. «Descend and Fight on the Cable Car» treibt den Adrenalinspiegel weit hinauf. Den Kampf in und auf einer Seilbahn unterlegt Goodwin mit Streichern, die – mal mäandernd wie ein eisiger Gebirgswind, mal heftig pumpend wie rasender Herzschlag – dem Stück eine explosive Mischung aus Aggressivität und Todesangst verleihen.
Wie bei FSM gewohnt, wurden die Source-Tracks, die in diesem Falle zum Teil durchaus etwas für die Karl-Moik-Fraktion sein dürften, aus dem Hauptprogramm genommen, und als Bonus gibt es noch die zwei Seilbahn-Cues in der ursprünglichen Fassung mit weniger Percussion. Und allen, denen über 100 Minuten WHERE EAGLES DARE des Guten dann doch zuviel sind, bietet FSM die Alternative, die akkurate 40-minütige LP-Einspielung zu erwerben, die auf die zweite CD von Alex Norths hochklassigem THE SHOES OF THE FISHERMAN gepackt wurde. Wer will da noch meckern?
Andi | 2005
WHERE EAGLES DARE/OPERATION CROSSBOW
Ron Goodwin
FSM Vol. 6 No. 21
74:07 | 20 Tracks
78:40 | 30 Tracks