Robert Zemeckis drehte diesen famosen Thriller im Jahr 2000 unter der Prämisse, ihn unbedingt mit Michelle Pfeiffer und Harrison Ford in den Hauptrollen besetzen zu wollen. WHAT LIES BENEATH (2000) entstand mitten in der Produktionszeit eines anderen Zemeckis Films, CAST AWAY (2000) – die Geschichte ist bekannt: Tom Hanks musste für seine Rolle als verschollener Überlebender eines Flugzeugabsturzes einige Kilos abnehmen. Also stand WHAT LIES BENEATH auf dem Programm, doch war es kein Schnellschuss, die Vorbereitungen begannen bereits im Voraus; Steven Spielberg liess die Story ganz zu Beginn der Projektphase einst für sich entwickeln, ehe Clark Gregg (Agent Phil Caulson aus dem Marvelimperium) das Drehbuch verfasste. Der Film gehört zur Sorte «Wow», ist aber, unter anderem wegen seines unvorhersehbaren Endes, schwierig ein weiteres Mal zu geniessen. Wer Zemeckis’ Film gesehen hat, weiss wieso.
Zum Filmrelease veröffentlichte Varèse Sarabande eine damals in gewohntem 30-Minuten-Kleid produzierte CD, jetzt legt das Label im Club-Rahmen nach und schickt eine auf 60 Minuten erweiterte Scheibe ins Rennen, dem ein 20 Seiten Booklet mit Text von Daniel Schweiger beiliegt. Zwei Tracks zählen zur Bonussektion und geben ein Jazzstück als «Restaurant Source» und einen kurzen Ausschnitt aus Vivaldis «Vier Jahreszeiten» wieder. Somit verbleiben etwas mehr als 55 Minuten Score.
Alan Silvestri, wir wissen es, ist Robert Zemeckis’ Haus, Hof und Leib Komponist in allen Lagen. Er schrieb einen Score vornehmlich für Streicher, Holzbläser, Harfe, erweitert mit Perkussion, Blechbläsern, Synthesizern, wortlosem Chor, wenn es die Dramaturgie erfordert – eine Art von Musik, die er für Zemeckis so noch nicht geschrieben hatte.
Silvestri hält drei Motive bereit, die mitunter auffallen: Ein 3-Noten Spannungs-Motiv, das dann und wann mit weiteren drei Noten ergänzt wird, ein 5-Noten Motiv und ein darauf basierendes 8-Noten Thema, schiebt diese kurz und unauffällig ein und lässt sie ebenso unauffällig wieder verschwinden, variiert sie in kürzeren oder längeren Anrissen und spielt mit dem Filmpublikum.
Immer wieder reisst Silvestri den Hörer von dessen Sitzgelegenheit, musikalische jump scares, ein 2-Noten «Schockmotiv», energiegeladen und kraftvoll, durchziehen WHAT LIES BENEATH, nur um kurz darauf (oder kurz davor) mit gediegenem Suspense und gar ein wenig Tragik den Hörer bei der Stange zu halten. Es entsteht ein düsterer, stimmungsvoller und handwerklich gnadenlos gut gemachter Genrescore, der manch einer gerne mit Bernard Herrmann in Verbindung bringt. Bei mir funktioniert diese Parallele der entwickelten Stimmung und vor allem des Umgangs mit den Motiven wegen, sonst aber ist hier sehr viel Silvestri drin und dran.
Nebst der meisterhaft gemachten Thrillermusik ist das Spotting der Musik, wo und wann diese ertönen soll, startet und aufhört, das Zünglein an der Waage. Silvestri und Zemeckis schaffen es Spannung zu entwickeln, einerseits musikalisch, andererseits aber auch – und das meisterhaft – durch Stille. Ob so ein clever getimter Score heute für einen grossen Studiofilm mit Topbesetzung noch möglich ist, sei mal als offene Frage dahingestellt.
Tipp: Nachts und am Volumenregler gehörig aufgedreht hören…!
Wer noch nicht zugeschlagen hat, sollte sich beeilen, denn die CD ist auf 2000 Stück limitiert.
| Phil 06.06.2024
WHAT LIES BENEATH
Alan Silvestri
Varèse Sarabande Club
60:12 | 25 Tracks