Twister

Review aus The Film Music Journal No. 8, 1996

TWISTER, ein Film über Wirbelstürme. Man könnte da einen Katastrophenfilm gespickt mit persönlichen Schicksalen wie z.B. EARTHQUAKE (1974) erwarten und entsprechend melodramatische Musik. Aber weit gefehlt. Mancina kreierte einen Soundtrack, der nicht viel mehr als zwei Stimmungen wiedergibt: Zum einen die kindliche Ausgelassenheit und Freude der Tornado-Jäger, wenn es daran geht, den nächsten Tornado zu erwischen und zum anderen die mystische Faszination, die die Tornados auf ihre Jäger ausüben. Dies liegt aber keineswegs am Komponisten, sondern am Film. Der beschränkt sich nämlich auf die Sichtweise des kleinen, bunt zusammen gewürfelten und verrückt erscheinenden Haufens von Forschern. Aber was soll’s. Anspruchsvoll ist der Film zwar wahrlich nicht, aber spektakulär und unterhaltsam ist er allemal. Die Möglichkeiten, die der Film Mancina zur Verfügung stellt, nutzt der Komponist voll aus. Schon das erste Stück, „Wheatfield“, bei dem die Truppe zur Jagd nach dem ersten Tornado aufbricht, macht deutlich, was man vom Film und vor allem von der Musik zu erwarten hat. Das Orchester schmettert eine fröhlich beschwingte Melodie. Hier merkt man gleich, daß es sich musikalisch wie filmisch um pure Unterhaltung (aber im besten Sinne) handelt. Diese Unbeschwertheit gepaart mit einer gewissen Portion Heroik scheint auch in Stücken wie Downdraft oder Going Green durch. Am fröhlichsten geht es jedoch eindeutig in „William Tell Overture/Oklahoma Medley“ zu. Besagte Ouvertüre wird mit dem Gegröhle von zweien der Truppe überlagert. Übrigens die einzige Source-Music auf der CD.

Die fast schon überwältigende Faszination, die die Stürme offensichtlich auf die Forscher ausübt, wird durch Stücke wie „Ditch“, „Bob’s Road“ oder „We’re Almost There“ ausgedrückt. Kräftiger Chor und stark betonte Percussion helfen dabei. Die Percussion zieht sich übrigens durch den ganzen Score, so daß man sich des öfteren an Hans Zimmers BACKDRAFT erinnert fühlt. Dies liegt wohl auch an der früheren Zusammenarbeit der beiden. Die erwähnte Faszination gipfelt in den Stücken „The Big Suck“ und „God’s Finger“, die die Musik zu der Szene liefern, in der die beiden Forscher Bill und Jo in das Zentrum eines gewaltigen Tornados geraten, sich aber festhalten können. Voll Ehrfurcht blicken sie hoch in das Innere des Sturmes. Durch die Musik wird dieser Moment fast zu einem religiösen Erlebnis für die beiden hochstilisiert. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb ist diese Szene sehr beeindruckend.

Bei den „End Credits“ waren sich die Produzenten anscheinend nicht schlüssig, ob sie irgendeinen Song oder Originalmusik spielen sollten. Daher erscheint „Respect The Wind“ von Edward und Alex Van Halen als Kompromiß zwischen den beiden. Über siebeneinhalb Minuten jault eine E-Gitarre zu einer stets gleichbleibenden Synthesizer-Grundmelodie. Dies mag zwar im ersten Moment den Anschein haben, als gehöre das Stück noch zum Score, ist aber stilistisch völlig aus dem Zusammenhang gerissen und demoliert dadurch ziemlich stark die Gesamtstimmung, die der Score von Mancina zuvor aufgebaut hat. Davon einmal abgesehen ist TWISTER eine runde Sache. Der Score ist zwar nicht sehr komplex und tiefgehend, dafür aber von hohem Unterhaltungswert und mit schönen Melodien.

Von La-La Land Records erschien 2017 eine 64 Minuten dauernde Ausgabe, ohne Tell (!), die auf 3000 Stück limitiert war und inzwischen out of print ist.

Klaus  |  1996

 

TWISTER

Mark Mancina

Atlantic Classics

51:10 | 18 Tracks