La trilogie marseillaise

Review aus The Film Music Journal No. 24, 2000

Noch vor gut 15 Jahren hatte man Vladimir Cosma regelrecht als Easy Listening-Fabrikanten für diverse Louis de Funès oder Pierre Richard-Klamaukspektakel abgeschrieben. Und es scheint seltsamerweise noch in kaum einer Filmmusikpostille registriert worden zu sein, wie sich Cosma gerade innerhalb etwa der letzten fünf Jahre vom einstigen Saulus zum Paulus gewandelt hat. Welches Damaskuserlebnis, fragt man sich da, war ihm wohl beschieden, das ihn in seinen letzten Scores auf einen Schlag zum begnadeten Sinfoniker werden ließ, der noch dazu inzwischen des öfteren auf das altehrwürdige London Symphony Orchestra zurückgreift?

Im ausladend romantischen Stil kommt auch seine neue CD LA TRILOGIE MARSEILLAISE daher, neuerliche TV-Verfilmungen der in Frankreich sehr bekannten Bühnenstücke «César, Marias und Fanny» von Marcel Pagnol. Dieser hatte seine humoristischen, in der Provence spielenden Dramen bereits in den 30er Jahren fürs Kino adaptiert. Ein weiteres Pagnol-Stück, nämlich LA FEMME DU BOULANGER, wurde gleichfalls letztes Jahr fürs Fernsehen erneut adaptiert, und Cosmas Musik dazu ist auf dem letzten Viertel dieser CD enthalten. Seit seinen Vertonungen von LA GLOIRE DE MON PÈRE und LE CHATEAU DE MA MÈRE (beide von 1987) und dem 1999 entstandenen LE SCHPOUNTZ (eine äußerst spritzig-schmissige Komposition, mit etwa 15 Minuten vertreten auf einem Sampler gleichen Namens, der Cosmas sämtliche Scores für Regisseur Girard Oury umfaßt) scheint Cosma den Franzosen ihr musikalischer Pagnol-Favorit zu sein. Und er hat sich seiner Aufgabe meisterlich entledigt, vor allem da es sich ja nur um TV-Filme handelt.

Mit einem für Fernseh-Verhältnisse recht großen Orchesterapparat ausgerüstet, bringt er mehrere satte und schwelgerisch ausladende Themen ans Ohr, die einen dahinschmelzen lassen. Höchst gefühlvoll und warmherzig werden in Stücken wie «Les Mers Lointains», «Marius et Fanny», «Départ de Marius» oder «Fanny» Stimmungs- und Landschaftsbilder von weit ausholenden Streichern eingefangen. Melodisch überbordende Orchesterklänge, wie sie niemand wohl in früheren Zeiten einem Vladimir Cosma zugetraut hätte. Staunen macht sich da breit, wie dieser Mann plötzlich solch innige, großbögige Streichermelodien mit verträumten Gitarrensolis schreiben kann und damit manch andere seiner heutigen Kollegen leicht an Einfallsreichtum übertrumpft. Im Kontrast hierzu erklingen beschwingte, typisch französische Musette-Walzer im Dreivierteltakt oder humorvolle Flötenscherzi, die bei einer Komödie natürlich nicht ausbleiben dürfen. Doch selbst da bleibt Cosma erstaunlich sinfonisch, trotz aller Leichtigkeit wird fast nie (außer in ein oder zwei Source Music Cues) die Grenze zur Unterhaltungsmusik überschritten. Und kaum ist das spielerische Getändel vorbei, nimmt uns Cosma im nächsten Track wieder mit auf seiner Reise durch die Provence. Bitte alles einsteigen, Cosma hebt ab!

Wem es nach einer wirklich wohltuenden und zu Herzen gehenden CD mit ausdrucksstarken Melodien gelüstet, der liegt bei dieser CD goldrichtig. Wie heißt doch das Sprichwort: warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah. In diesem Fall sogar gleich im Nachbarland Frankreich, während im erzverschlafenen Deutschland ein solcher Soundtrack wohl nach wie vor eine Utopie bleiben dürfte.

Stefan  |  2000

LA TRILOGIE MARSEILLAISE

Vladimir Cosma

Pomme

52:20 | 25 Tracks