Top Gun: Maverick

TOP GUN: MAVERICK (2022) von Regisseur Joseph Kosinski erhielt reichlich verzögert Starterlaubnis. Nach dem Grosserfolg von Tony Scotts TOP GUN (1986) wurde schon bald von einer Fortsetzung gemunkelt bzw. in Fan-Kreisen darum gefleht. Satte 36 Jahre später stieg Tom Cruise für TOP GUN: MAVERICK wieder ins Cockpit – doch dieses Mal verkündet er seinen Kadetten in der Rolle des Ausbildners: «This is Your Captain Speaking.» Während die Kritiker dem Film grossmehrheitlich unoriginelle Retro-Unterhaltung attestierten, strömte das Publikum in Scharen in die Kinosäle. Ich selbst habe mir diesen Streifen auf der grossen Filmtheater-Leinwand im Verkehrshaus der Schweiz im englischen Original angeschaut – mit fettem Sound und noch grösserem Bild und ja, das hat richtig Spass gemacht. Dazu beigetragen hat auch der Soundtrack, wobei auch hier über weite Strecken altbekannte TOP-GUN-Ingredienzen mit fast schon religiösem Ernst zitiert werden. Aber mal ehrlich, es passt zum Film und wer wollte denn wirklich etwas anderes hören, während er den Flugmanövern zuschaut?!

In Sachen Filmmusik machte TOP GUN: MAVERICK bereits 2017 von sich reden. Damals wurde im Juni angekündigt, dass Komponist Harold Faltermeyer auch die Fortsetzung des 1986er-Films vertonen werde – seine «Top Gun Anthem» von damals ist Kult. Der Film hätte 2019 in die Kinos kommen sollen… im Oktober 2018 wurde bekannt, dass Hans Zimmer als Co-Komponist involviert sein wird. Die Filmveröffentlichung war neu auf Juni 2020 angesetzt. Dann kam Covid und TOP GUN: MAVERICK wurde – wie mehr oder weniger alles andere auch – «gegroundet». Bis der Film im Mai 2022 in die Kinos kam, soll sich gemäss Interview-Aussagen von Lorne Balfe auch in Sachen Filmmusik indes noch einiges getan haben. Die COVID-Verschiebungen seien für kreative Arbeiten genutzt worden und insgesamt habe man über drei Jahre an der Musik gearbeitet, sagte Balfe, der als «Score Producer» fungierte, in mehreren Interviews. Als Score Producer habe er auch mitkomponiert, allem voran aber habe er die Ideen, Beiträge und Kompositionen von Harold Faltermeyer, Hans Zimmer und, als weitere Zuzügerin, Lady Gaga miteinander koordiniert und mit den Vorstellungen von Regisseur Kosinski sowie den Produzenten Tom Cruise und Christopher McQuarrie abgestimmt. Zudem habe er später die Eingaben der involvierten Musikerinnen und Musiker koordiniert, die Pandemie-bedingt alle im eigenen Wohnzimmer, in privaten Studios und voneinander getrennt ihre Parts eingespielt hatten. Klingt nach einem nicht minder heissen «Spiessrutenflug», wie ihn Cruise und Co. im Film vollziehen müssen, wobei sich das Filmteam während den gesamten rund drei Jahren eigentlicher Arbeitszeit stehts mit der Frage beschäftigte, wie weit man in Sachen Filmmusik neue Ideen einbringen könne und solle. Nicht allzu viel, wie das vorliegende Album klar macht. Doch das Gebotene vermag mit der klanglichen Auffrischung die Erwartungshaltung solide zu bedienen, wobei das kurze Album mit ein paar Score-Auszügen und den markantesten Songs mehr als spassiges Kinobesuch-Souvenir eingeordnet werden muss, statt als umfassendes Score-Album für Fans von Faltermeyer, Zimmer und Co. Balfe stellt in einem der Interviews in Aussicht, dass ein solches noch folgen könnte.

Das prominenteste neue Element der Filmmusik zu TOP GUN: MAVERICK ist der Song von Lady Gaga, «Hold My Hand», der gemäss Balfe verhältnismässig spät hinzugekommen sein soll, indes den ganzen emotionalen Kern rund um die Liebesgeschichte aufgeschlüsselt habe. Dass hierfür nicht auf den Klassiker «Take My Breath Away» der kalifornischen Popband Berlin zurückgegriffen werden könne, sei früh entschieden worden. Die Melodie des Songs «Hold My Hand» wurde, so Balfe weiter, in zahlreiche Schlüsselmomente der Filmmusik eingearbeitet, womit ein neuer, der Geschichte angepasster, emotionaler «Anker» als Pendant zum legendären Song und «Love Theme» «Take My Breath Away» aus TOP GUN gesetzt werden konnte. Vom Ohrwurmcharakter her erreicht «Hold My Hand» jedoch nicht dieselbe Flughöhe wie «Take My Breath Away». Die anderen Songs auf dem Album – «Danger Zone» (what else?!), «Great Balls of Fire» und «I Ain’t Worried» – sind bekannt, wobei lediglich «Danger Zone» in der 86er-Version und gesungen von Kenny Loggins beibehalten wurde. «Great Balls of Fire» erhielt eine Neuinterpretation von Schauspieler Miles Teller, der dieses Lied in einer Barszene im Film ebenfalls selbst zum Besten gibt, und «I Ain’t Worried» wurde für MAVERICK von der Band Onerepublic neu eingespielt. Kein Song, aber ebenfalls ein gewichtiges musikalisches Erbe von TOP GUN ist die «Top Gun Anthem» von Faltermeyer. Auch sie schwingt sich mit MAVERICK in neuem Glanz in die Lüfte – thematisch alles beim Alten, aber klanglich aufpoliert und neu eingespielt.

Womit die Verbindung hin zu den sieben eigentlichen Score-Stücken auf der CD gegeben ist. Auf dem vorliegenden Album werden rund 28 Minuten des Scores präsentiert. Die Japan-Edition beinhaltet mit dem kraftvollen Action-Stück «Canyon Dogfight», bei dem etwas «Joker»-Material aus THE DARK KNIGHT (2008) durchschimmert, noch gut 3 Minuten zusätzliche Instrumentalmusik. Diese eher knappe Score-Repräsentation dürfte die Filmmusik-Enthusiasten enttäuschen. Auch bietet die Instrumentalmusik neben den eingebundenen «Anthem»- und «Hold My Hand»-Melodien thematisch keine weiteren prägnanten Ideen, die sie eindeutig mit TOP GUN: MAVERICK verbinden würde. Sprich, wenn nicht grad «Anthem»- (in den Stücken 1,3 und 12) oder «Hold My Hand»-Statements (in den Stücken 5, 9 und 10) zu hören sind, könnte die Musik auch aus früheren Bruckheimer- oder gar Superhelden-Soundtracks von Zimmer und dem Hause Remote Control stammen (bspw. erinnert das Spiel der Perkussion wiederholt an jenes in der «Flying»-Musik aus MAN OF STEEL (2013)). Und der Abschluss von «Give ‘Em Hell» könnte aus Rupert Gregson-Williams’ toller Musik für HACKSAW RIDGE (2016) stammen. Das freut die Fan-Base, aber originell ist es dann leider doch nicht. Stücke wie «Darkstar» sorgen bei voller Lautstärke und zusammen mit den bombastischen Bildern auf der Grossleinwand für Gänsehaut-Momente, doch abseits des Kinosaals und bei «vernünftiger» bzw. «sozialverträglicher» Lautstärke abgespielt, büssen «Darkstar» und auch die weiteren hier eingebundenen Score-Tracks stark an Wirkung ein. Vieles klingt bekannt und leider austauschbar. Ob deshalb ein reiner Score-Release wirklich interessanter sein wird, darf, zumindest ob der hier präsentierten Score-Auswahl, angezweifelt werden.

Fazit: Als Film bietet TOP GUN: MAVERICK mit seinen teils akribischen Parallelen zum Vorgängerstreifen allem voran nostalgisch-rasante Unterhaltung mit wirklich beeindruckenden Flugsequenzen. Die Filmmusik mit den kultigen Melodien und Songs trägt das ihrige dazu bei und feiert ebenfalls primär das musikalische Erbe. Als solches machen Film und Filmmusik Spass. Wer indes frischen Wind unter den Flügeln erwartet hat, wird wohl enttäuscht sein.

Basil  |  07.07.2022

TOP GUN: MAVERICK 
Harold Faltermeyer, Lady Gaga, Hans Zimmer
Score Producer: Lorne Balfe
Interscope Records (Universal Music)
41:53 | 12 Tracks