Als Videospielfigur sorgte die knallharte, vollbusige, mit dramatischer Kindheit vorbelastete Abenteurerin Lara Croft für viel Furore. Das weibliche Pendant zu Indiana Jones startete ihren Siegeszug durch die Konsolenlandschaft 1996. Im Jahr 2001 vollzog sie, verkörpert von Angelina Jolie, auch den Sprung auf die Kinoleinwand. Hier war ihr indes nicht derselbe Erfolg vergönnt. LARA CROFT: TOMB RAIDER (2001) verkam zu einem Hickhack-Popcorn-Filmchen, das die Erwartungshaltungen nicht annähernd bedienen konnte. Der nächste Streifen, LARA CROFT: TOMB RAIDER – THE CRADLE OF LIFE (2003), trumpfte mit vielen exotischen Locations, doch entbot auch hier die Story jeglicher Originalität und Überraschung – bis auf die Monsterkreaturen am Schluss, die den Film gänzlich ins Lächerliche zogen. 15 Jahre später wollen es die Studios nun nochmals wissen: mit TOMB RAIDER (2018), mit der neuen Hauptdarstellerin Alica Vikander, und mit Regisseur Roar Uthaug. Wenn auch aufwändig produziert so erntete auch dieser Relaunch nur lauwarmes Kritikerlob und an den Kinokassen spielte der Film gerade mal «nur» das knapp dreifache seiner Produktionskosten ein. Nicht schlecht, aber erneut nicht der erhoffte Kassenschlager. Und aus filmmusikalischer Sicht? Tom Holkenborg aka Junkie XL macht erneut viel Krach, der jedoch ebenso gut in x-beliebig vielen anderen Actionfilmen platziert werden könnte – kein prägnantes Thema für die Titelheldin, kein unverwechselbarer Klangcharakter. Das Ergebnis funktioniert im filmischen Kontext nicht schlecht, wenn auch oftmals viel zu dominant abgemischt, doch als reines Hörerlebnis bietet die Filmmusik zu TOMB RAIDER kaum Aufregendes.
Interessanterweise hat sich Junkie XL für seine Arbeit an TOMB RAIDER viel Zeit genommen bzw. diese erhalten. Nicht nur in Bezug auf die Kompositionsarbeit – weshalb das Ergebnis umso enttäuschender ausgefallen ist –, sondern auch bzgl. Marketing-Arbeit. Neben Kurzinterviews zu Promo-Zwecken für das Label Sony Music produzierte Junkie XL für seinen YouTube-Kanal zwei umfassende «Studio Time w/ Junkie XL»-Dokus, im Rahmen deren er detailliert (über 75 Minuten!) auf zwei Track-Mockups für TOMB RAIDER eingeht und dabei tiefe Einblicke in seine Arbeitsweise gibt. Das ist so oder so interessant, aber erschreckenderweise klingen die dort präsentierten Mockups verglichen zu den finalen Tracks verblüffend ähnlich – das überrascht beim «electronics heavy»-Stück («The Crypt»/2M11; im Fokus vom 1. Teil der YouTube-Serie) weniger als beim «more orchestral»-Stück (6M40; im Fokus vom 2. Teil der YouTube-Serie). Mit dem Orchester wurde nach der Mockup-Phase aufgenommen, doch der Effekt bleibt zaghaft. Tatsache sei jedoch, wie Junkie XL in einem der Doks ausführt, dass er für diesen Abenteuerfilm-Score das grosse Orchester nur für wenige, dramatische Szenen verwendet habe. Viel Musik bedient sich also lediglich einzelnen Sektionen des Orchesters oder stammt «gänzlich aus dem Rechner» (quasi). Dabei teilt sich die Filmmusik in drei Teile: der erste Teil des Films spielt in London und führt die Handlung und Charaktere ein. Hier hat es etwas Raum für das eine oder andere Statement der Themen für Lara Croft und ihren Vater. Diese beiden Themen sind in Klang und Ausgestaltung (selbe Tonart, selbe Rhythmusstruktur) jedoch dermassen ähnlich und austauschbar, dass sich keines der beiden zu einem klaren, dominanten «roten Faden» entwickeln kann. Der zweite Teil, der die meiste Spielzeit im Film und auf der CD einnimmt, spielt auf einer exotischen Insel irgendwo vor der Küste Japans. Hier herrscht pure Action und Junkie XLs Musik donnert mit viel Perkussion und Electronics unausstehlich durch die Boxen. Der dritte und letzte Teil führt Lara Croft zurück nach London, wo die Story abgerundet wird.
Für die Musik während den Teilen eins und drei können noch versöhnliche Worte gefunden werden. Wenn auch gänzlich «von der Stange» und damit austauschbar, so erzeugen typische Junkie XL/Remote Controle-Streicher- und Blechpassagen einige melodische Momente und bisschen Pathos. Doch, wie geschrieben, fehlt ein starkes Thema leider gänzlich. Dem Filmkonzept – Lara Croft mausert sich im Verlauf des Films ja erst zur «Heldin» – kann dies nicht geschuldet sein, denn Junkie XL erwähnt explizit, dass es ein «Lara’s Theme» gebe – es ist halt einfach zu anonym. Das Hören verkommt zur Gedulds- und Belastungsprobe, wegen der Musik für den Teil zwei, die auf dem Album leider stark überpräsent ist. Hier mischt Junkie XL alles was laut und krachend eingesetzt werden kann in einen chaotischen Mix aus Orchesterelementen, Synthesizer und vielen digital verfremdeten Tier- und Dschungelgeräuschen zusammen. Hier gibt es keine spannende, coole oder schöne Musik zu hören – einfach abgegriffene Effekthascherei.
Fazit: Die Filmadaptionen der LARA CROFT-Abenteuer haben bis dato weder filmisch noch filmmusikalisch überzeugen können. Während Alan Silvestri für LARA CROFT: TOMB RAIDER – THE CRADLE OF LIFE immerhin ein prägnantes Hauptthema geliefert hat und mit «Pandora’s Box» eine schöne, dramatische Komposition für das Finale schrieb, konnten weder Graeme Revell für den Start im Jahr 2001 – der für das Komponieren seiner Musik jedoch gerade mal zehn Tage Zeit gehabt habe soll – noch jüngst Junkie XL gelungene Scores vorlegen. Die Musik von Junkie XL bietet austauschbare Kompositionsansätze, denen auch kein prägnantes Hauptthema zugrunde liegt, und es betäubt mit dem üblichen lauten, anonymen Trommelfeuer. Wäre dies die Musik für einen Film vor einer halben Dekade gewesen, hätte sie mehr Novum-Charakter besessen, aber im 2018 ist das alles leider allzu altbekannt. Schade.
Basil, 3.7.2018
TOMB RAIDER Tom Holkenborg aka Junkie XL Sony Music 72 Min. 14 Tracks