The Time Machine (2002)

Review aus The Film Music Journal No. 29, 2002

Das Remake des Kultfilms THE TIME MACHINE (1960) reiht sich ein in die fanggewordene Liste einfallsloser Neuverfilmungen erprobter Stoffe. Erzähltechnisch ein Desaster, wird die Geschichte von Professor Hartdegens Reise in Vergangenheit und Zukunft mit biederen Mitteln realisiert.

Auch an Klaus Badelts Musik scheiden sich die Geister, vor allem wegen der Temptracks. Als Szeneneuling traute er sich dann doch nicht, ihnen Fersengeld zu geben. Folglich glaubt man sich (speziell: Track 6, 0:54ff.) mitten in THE EDGE versetzt, gibt Vorbild Jerry Goldsmith ein Stelldichein mit seinem populär gewordenen Hornthema, den umschwirrenden Flötenfiguren, dem ganzen tonalen Aufbau seines Main Title. Eigenartigerweise irritiert das Beinahezitat nur während der Kinovorstellung, weil man dort für einige Momente das Filmgeschehen aus dem Auge verliert und sich mit der Möglichkeit einer inhaltlichen Motivation der Anspielung befaßt. Abseits der Filmbilder werden aus eineiigen zweieiige Musikzwillinge, die man ohne Moralkeule nebeneinander hält.

Da Klaus Badelt seit Jahren im Dunstkreis Hans Zimmers arbeitet, befürchtet man im Vorfeld das Schlimmste, wird zunächst aber positiv enttäuscht, denn Badelt versteht sich darauf, die Grundzutaten eines zeitgenössischen Mainstreamscores auf willkommene Weise abzumischen. Schon im ersten Stück präsentiert er die wichtigsten Einfälle in einer abwechslungsreichen Instrumentierung: Zuerst hört man eine Art Aufbruchsthema (aus Goldsmiths EDGE-Musik abgeleitet), dann folgt die lyrische Idee für die Professorenliebste Emma. Drittens führt Badelt im Klavier (ab 1:46) das mixolydisch getönte Hauptthema ein, identifizierbar durch seinen großen Intervallsprung und die melodische Gegenbewegung. Im Titelcue THE TIME MACHINE hört man das Hauptthema in einer kraftvollen Version des ganzen Orchesters, denn nach dem Rückgriff auf Emmas Thema drückt der Komponist alle Hebel nach vorn und zeigt seinen musikalischen Bizeps. Weitere thematische Varianten folgen, ehe in «I Don’t Belong Here» alle verfügbaren Orchesterreserven freigesetzt werden.

Das alles wäre im Rhythmischen wie im Harmonischen noch entwicklungsfähig, besitzt jedoch allemal eine durchschlagende Wirkung. Bis zu diesem Zeitpunkt ist das Varèse-Album für den Liebhaber großbesetzter Hollywoodmusik ein Volltreffer. Leider folgt dann ein doppelter Knockout —mag er nun filmisch begründet sein oder nicht. Das Malheur beginnt nach zehn Sekunden des Tracks 7: urplötzlich scheint Hans Zimmer «höchstselbst» herbeizueilen und Badelt vom Steuer zu verdrängen. Ärgste Synthieklischees des Hauses Media Ventures machen sich breit. Die Zeitreise ist im Handumdrehen ruiniert. Und dann folgt der zweite Streich, wer immer ihn auf dem Gewissen habe. Aus den weißblonden Eloi des 1960er-Films wird nun eine kultige Südseetruppe. Und Herrn Badelt (oder dem für zusätzliche Musik beigeholten Geoff Zanelli) fällt nichts Besseres ein, als die stumpfsinnigsten Ethnoklangvorstellungen zu bemühen. Flötenschmeicheleien, Trommeln und dann ein Chor wie aus einer grauenhaften ZDF-Show mit Mädels in Bambusröcken. Fehlt nur noch Helmut Lotti.

Von diesen Geschmacksverirrungen erholt sich die Musik nicht mehr. Badelt hat die schlimmste aller Lösungen gewählt: den universalen Mix. Er verarbeitet seine Themen im Südsee-Tonfall und legt damit eine saftige Bauchlandung hin. Freunde perkussiver Klänge sollten sich daher das einzige noch hörenswerte Stück «Morlocks Attack» (im Film übrigens ein banaler Ideenklan aus The Mole People) vorprogrammieren und die Tracks 7ff. meiden. Und die Bewertung? Verrechnet man des Komponisten Potential mit dem Mißbrauch desselben, so bleibt unterm Strich eine solide Mittelwertung.

Matthias  |  2002

 

THE TIME MACHINE

Klaus Badelt

Varèse Sarabande

57:37 | 15 Tracks