The Roots of Heaven/David Copperfield

Review aus The Film Music Journal No. 26/27, 2001

Freunde von Malcolm Arnold und seiner Musik dürfen momentan zu Recht in Feststimmung sein. Der Komponist feiert dieses Jahr seinen 80. Geburtstag, und zu diesem Anlass schenkt Marco Polo ihm und uns eine CD mit zwei wunderbaren Filmmusiken: THE ROOTS OF HEAVEN und DAVID COPPERFIELD. Wer an den beiden auf dem im letzten FMJ besprochenen Chandos-Samplern Gefallen gefunden hat, kann nun ausgiebiger geniessen.

In THE ROOTS OF HEAVEN (1958) zieht Trevor Howard gegen skrupellose Elefantenjäger ins Feld. Ebenso gut hätte er dies auch bezüglich des Regisseurs tun können, denn John Huston liess es sich einmal mehr nicht nehmen, an Originalschauplätzen – diesmal auf dem Schwarzen Kontinent – zu arbeiten, sehr zum Leidwesen der Teammitglieder, die aufgrund der ungewohnten Verhältnisse reihenweise umkippten oder dem Wahnsinn verfielen. Im Grunde genommen ein ganz normaler Huston-Dreh also. Das alles brauchte Arnold nicht zu kümmern, er konnte sich im gemütlichen Europa sein eigenes Afrika imaginieren.

Für seinen Score griff er zu Mitteln, die man oft hört bei ihm: massive Perkussion, signalartige Trompeten und ein stets aufs Neue sich hinaufschraubendes Orchester. Für das gewünschte Lokalkolorit sind afrikanische Trommeln besorgt, die bereits die Themen der «Overture» zusammenhalten. Dass Arnold während seiner Ausbildung als «seriöser» Musiker (Trompete) und Komponist gerne dem Jazz frönte, vermittelt er durch die Holzbläser. Das lyrische Minna-Thema, das ich in der Rezi des Chandos-Albums als «Cincinnatti-Kid-ähnlich» bezeichnet habe, basiert auf einer Melodie von Henri Patterson. Der gehörte als Pianist zum Begleittross der Chanteuse Juliette Greco, Minna-Darstellerin und damalige Geliebte des Produzenten Darryl F. Zanuck.

Er war zudem indirekt auch an der Gestaltung eines weiteren Motivs beteiligt, denn in Afrika bewaffnete er sich mit einem Tonbandgerät und machte Jagd auf Eingeborenenlieder; eines davon lieferte die Grundlage für das Elefanten-Thema, von Arnold mächtig zelebriert in «The Great Elephants», wo er schweres Blech auffährt, um die Gewichtsklasse der Tiere hörbar zu machen. Nach Fertigstellung des Filmes dünkte es Zanuck, es vertrage noch etwas mehr Musik, und da die Zeit drängte, erstellte Alfred Newman aus dem thematischen Material von Arnold flugs vier zusätzliche Cues; zwei davon fanden den Weg auf die CD. Das sensible Ohr reagiert auf diesen Umstand und bemerkt, dass Newman die weit ausladenden Blechbläser zurückgebunden hat zugunsten seiner delikaten Streicher; besonders gut auszumachen ist dies in «Minna’s Goodbye», bevor das anschliessende «Finale & End Titles» mit einem letzten Statement der Dickhäuter unmissverständlich das Universum von Malcolm Arnold zurückbringt.

Obwohl DAVID COPPERFIELD (1969) eine englische Geschichte mit vorwiegend englischen Darstellern erzählt, handelt es sich dabei um eine amerikanische TV-Produktion der Firma Omnibus. Die zeichnete im Jahr zuvor für das erfolgreiche HEIDE verantwortlich, und wie bei diesem war John Williams für die Musik vorgesehen. Der war dann jedoch zu beschäftigt, musste den Auftrag stornieren und ermöglichte Malcolm Arnold damit einen würdigen Abschluss seiner Filmtätigkeit. Dieser verzichtete bei COPPERFIELD nach eigenen Worten auf «Gimmicks» und musikalische Nachempfindungen des frühen 19. Jahrhunderts. Wie ein roter Faden durchzieht das edle Hauptthema, schwermütig und tröstend zugleich, den Score. Abseits davon zeigt sich Arnold verspielt und unbeschwert und bietet verschiedenen Instrumenten Gelegenheit zu solistischen Einlagen. Eine plappernde Trompete, die sich da und dort kurz zu Wort meldet und die verschmitzte Klarinette für «Mr Micawber» seien als Beispiele genannt. Alles in allem ein sehr einnehmendes Werk, für das auch Regisseur Delbert Mann voll des Lobes war.

Trotzdem war sich Arnold bewusst, dass seine Art von Musik – zumindest in den Augen der Studiogewaltigen – in den Swingin› Sixties nicht mehr zeitgemäss war, und darum zog er sich im relativ jungen Alter von 48 Jahren vom Filmbusiness zurück, um sich ausschliesslich dem Konzertsaal zu widmen. Viele der hier genannten Informationen entstammen dem Booklet, das -wie immer bei Marco Polo —-vorbildlich ist. Es enthält eine Fülle von mir nicht bekannten Anekdoten und Fakten wie folgender: Nach THE BRIDGE ON THE RIVER KWAI wurde Arnold als der Komponist für Kriegsfilme gehandelt und erhielt entsprechend viele Angebote, die er aber zum grössten Teil ablehnte. Darunter Grossproduktionen wie THE VIKINGS, LAWRENCE OF ARABIA und THE BLUE MAX. Daran sieht man, wie ein einzelner Mann die Geschichte der Filmmusik beeinflussen kann.

Andi  |  2001

THE ROOTS OF HEAVEN/ DAVID COPPERFIELD

Malcolm Arnold

Marco Polo

62:09 | 33 Tracks