The Power of the Dog

Jonny Greenwood hat seit seinem Aufsehen erregenden Auftritt mit dem kraftvollen Score zu Paul Thomas Andersons starkem THERE WILL BE BLOOD (2007) einen Stein in meinem Soundtrack-Brett. Seither verfolge ich was der 49jährige Musiker, Mitglied der Band Radiohead, in der Filmmusik hinterlässt. Und meist sind das filmmusikalische Fussabdrucke, die es wert sind, betrachtet zu werden. Greenwood sucht sich seine Projekte sehr sorgfältig aus, meist sind es die Filme von Anderson, zu denen er die Musik schreibt (THE MASTER, 2012; INHERENT VICE, 2014; PHANTOM THREAD, 2017). Einen Marvel-Blockbuster mit Greenwood Musik ist kaum verein- und wenig vorstellbar – und vielleicht ist das auch gut so. 2021 nun scheint ein spannendes Jahr für Greenwood geworden zu sein, hat er doch gleich zwei Filmmusiken am Start: Einerseits SPENCER, andererseits THE POWER OF THE DOG von Jane Campion.

Campions Film ist ein für Netflix produzierter Neo-Western mit Benedict Cumberbatch, Kirsten Dunst, Jesse Plemons und Kodi Smit-McPhee über ein Brüderpaar, das in Montana Viehzucht betreibt. Als George heiratet, hat Bruder Phil für dessen Ehefrau nur Verachtung übrig, während er zu ihrem Sohn schliesslich eine Verbindung aufbaut. Campions Film ist ein ruhiges Werk, das von Stille, der Bildsprache, tollen Aufnahmen (in Neuseeland, Montana imitierend) und den Schauspielern lebt.

Greenwood seinerseits missachtet fast alles, was filmmusikalisch in Richtung Western oder Americana gehen könnte, auch wenn Phil stets einen Cowboyhut trägt und Pferde dem Wagen seines Bruders vorzieht. Greenwood bleibt seinem Stil treu, komplexe, vertrackte, disharmonische Klänge auf verschlungenen Pfaden zu einem Ganzen zu formen. So wenig THE POWER OF THE DOG Western ist, so wenig ist es auch Johnny Greenwoods Score, dessen einziger Berührungspunkt mit dem Genre ein verfremdeter, saloonnaher Klavierklang ist (nein, Saloonmusik wird keine zu hören sein). Campions intimes, mit wenigen Dialogen ausgestattetes Drama begleitet Greendwood mit einem kleinen Streicherensemble und dem erwähnten (upright) Piano, oft dissonant und manchmal fast beliebig gespielt. So fremd und distanziert uns Phil (Cumberbatch) und dessen Tun erscheint, so wirkt auch Greenwoods in sich verflochtene Musik, diese Mischung aus New Age, Minimalismus und Expressionismus. Im Film ergänzt das Amalgam der Klänge sich mit den Bildern und den oft wortkargen Geschehnissen. Geerdet in manchmal atonalen Aneinanderreihungen unterstreicht die Musik das Zurückstossende des Films, das Unnahbare der Protagonisten und die Befremdlichkeit ihrer unterkühlten Emotionen.

Für diese Art Filme scheint Jonny Greenwood wie geschaffen, doch sollte man sich mit seiner Musik bereits etwas auseinandergesetzt haben, ehe man es, erstmalig, mit THE POWER OF THE DOG versuchen möchte. So oder so, dies ist alles andere als eine einfache Musik. Übrigens wurde der Score gerade für einen Golden Globe als beste Musik nominiert. Man darf gespannt auf Greenwoods Musik zu SPENCER sein.

Phil  |  22.12.2021

 

THE POWER OF THE DOG

Jonny Greenwood

Netflix Soundtrack

38:00 | 17 Tracks