The Old Man and the Sea (re-recording)

1959 durfte Dimitri Tiomkin für THE OLD MAN AND THE SEA seinen vierten und letzten Oscar in Empfang nehmen. Für mich ziemlich unverständlich, da erstens dieser Score bei mir nie so richtig zündete und zweitens Konkurrenten wie Hugo Friedhofers THE YOUNG LIONS und vor allem Jerome Moross› unsterblicher Westernklassiker THE BIG COUNTRY wohl nicht nur aus meiner Sicht das güldene Männchen weitaus mehr verdient hätten. Deshalb zögerte ich zunächst, mir die aus heiterem Himmel angekündigte Intrada-Neueinspielung des kompletten Scores zuzulegen. Da man solche immer rarer werdenden Golden-Age-Projekte aber unbedingt unterstützen sollte, schlug ich schliesslich doch zu.

Ernest Hemingways preisgekrönter Kurzroman THE OLD MAN AND THE SEA war das letzte Werk des Autors, das zu dessen Lebzeiten veröffentlicht wurde, und er gehört zu seinen bekanntesten. Die Story um den alten kubanischen Fischer Santiago, dem nach einer langen Durststrecke mit einem riesigen Marlin der Fang seines Lebens zu gelingen scheint, wurde in der Verfilmung glänzend mit Spencer Tracy besetzt, die problembeladene Produktion zog unter anderem einen Regiewechsel von Fred Zinneman zu John Sturges nach sich und blieb an den Kinokassen schliesslich unter den Erwartungen der Produzenten.

Ein Teil des Erfolgs von Tiomkin lässt sich damit erklären, dass er ein wichtiger Partizipant von THE OLD MAN AND THE SEA ist, denn Spencer Tracy, dem praktisch nur der Junge Manolin (Felipe Pazos) als einzigem Verbündeten zur Seite steht, agiert einen grossen Teil des Films allein auf hoher See, nebst seinen Selbstgesprächen ist er auch als Erzähler zu hören. Da spielt die Musik als emotionale Stütze natürlich eine erhebliche Rolle, und der Komponist erweist sich als umsichtiger Begleiter sowohl von Santiagos Gefühlszuständen als auch der ihn umgebenden Schönheiten und Herausforderungen der Natur.

Das entging auch den Kritikern nicht. Während der Film gemischte Reaktionen hervorrief, erhielt die Musik ungewöhnlich viel Aufmerksamkeit. «The major triumph of this picture is the brilliant musical score» (Harold Cohen), «In some respects, the picture is a lantern slide for a sea symphony» (John Rosenfield) oder «it is the one element of eloquence in this extraordinary one-man show» (Bosley Crowther) lauten einige der lobesvollen Stimmen.

Struktur erhält der Score durch gleich fünf vielfältig bearbeitete Themen, jene für Santiago und für Manolin (welches vor allem zu Beginn des Films Humor und Lebensfreude versprüht), das melancholische «I Am Your Dream», ferner das «Cojimar Harbour Theme» sowie «Canción del Pescador», basierend auf einer portugiesischen Volksweise. Das Volkstümliche, vor allem das offensichtliche kubanische, wird aber nicht überbetont und ins sinfonische Gefüge eingebunden, vergleichbar mit George Gershwins CUBAN OVERTURE. Bei dramatischen Passagen wie dem Kampf mit dem Marlin und Hai-Attacken geht das Orchester nicht All in, was die typische, manchmal schier überbordende Intensität von Tiomkins Filmeinspielung betrifft.

Für Tiomkin war THE OLD MAN AND THE SEA Licht und Schatten. Freude über den Oscar, aber Enttäuschung darüber, dass eine extra geschriebene «Overture» für Klavier und Orchester nicht verwendet wurde (und die leider auch auf dieser Veröffentlichung fehlt) und dass er mit seinem Wunsch, den Film mit einer Vokal-Version von «The Old Man And The Sea» (Paul Francis Webster hatte wohl schon die Lyrics geschrieben) zu beenden, sowohl bei Regisseur und Produzenten als auch bei Studio-Chef Jack L. Warner auf taube Ohren stiess. Und so geht man dann wohl nicht fehl mit der Annahme, dass die in den Extras enthaltenden Bearbeitungen von «I Am Your Dream» (mit Solo-Violine) und «The Old Man And The Sea» als Orchesterbegleitungen für Songs gedacht waren. Zu guter Letzt plaudert Dimitri Tiomkin im Zusammenhang mit dem Film fünf Minuten lang aus dem Nähkästchen.

Ich will nicht verhehlen, dass sich THE OLD MAN AND THE SEA in dieser neu präsentierten, kompletten Form bei mir zwar spät, aber dafür umso überzeugender zu rehabilitieren vermochte. Der im Musikbereich seit Jahrzehnten aktiv und administrativ tätige Richard Kaufman und das Royal Scottish National Orchestra tun der Musik alle Ehre und das dekorative, von Frank K. DeWald, Warren M. Sherk und Patrick Russ mit Infos versehene Booklet tragen zum positiven Gesamteindruck mit bei. Da kann man nur hoffen, dass Intrada künftig mit vergleichbaren Projekten aufwarten wird.

Andi  |  20.02.2025

THE OLD MAN AND THE SEA
Dimitri Tiomkin
Intrada INT 7182
CD1: 40:02 / 18 Tracks
CD2: 51:21 / 20 Tracks