Review aus The Film Music Journal No. 28, 2002
Fernab jeglicher sinfonischer Pfade hat sich David Arnold in den letzten Jahren zumeist aufgehalten, um entweder den jeweils neuesten Bond-Knaller mit modernen Techno-Rhythmen aufzupeppen oder gar schwer verdaulichen Funk-Jazz abzuliefern wie zuletzt bei BABY BOY.
1994 war ihm mit STARGATE ein phänomenaler Einstieg in die Soundtrackwelt gelungen, eine damals wahrhaft erfrischende orchestrale Tour de Force, die ihn zum vielversprechendsten Hoffnungsträger unter den jüngeren US-Filmkomponisten avancieren ließ. Derweil ist einige Zeit ins Land gegangen, und nun liegt mit einer neuerlichen Verfilmung des altbewährten Musketiere-Stoffs durch Regisseur Peter Hyams, die in Amerika bereits mit den schlimmsten Kritiker-Verrissen bedacht wurde, endlich mal wieder ein vollblütiges sinfonisches Werk aus der Feder von Arnold vor, das einen so manche seiner kuriosen Entgleisungen aus der letzten Zeit doch schnurstracks wieder vergessen läßt.
Mit Freude darf man feststellen, daß der Mann also tatsächlich seinen hohen kompositorischen Standard und seine raffinierte Handhabung des großen Klangkörpers zum Glück noch nicht ganz an den Nagel gehängt hat. THE MUSKETEER entfacht auf einer Strecke von 50 Minuten ein furioses, tempogeladenes Orchesterfeuerwerk, das von einem heroischen, beinahe Korngoldesken Hauptthema angeführt wird, welches sich sogleich im «Main Title» prächtig entfalten darf, und das für schmissigen Hörspaß sorgt.
Nun ist es ja bekanntermaßen beileibe nicht so, daß großorchestraler Bombast in einer Filmmusik schon ein Qualitätsmerkmal an sich darstellt, aber im Gegensatz zu den tumben Tiefstapeleien des vergangenen Jahres à la Silvestri oder Elfman verliert Arnold selbst bei den hektischsten und aggressivsten Actionpassagen nie den formalen Bogen beziehungsweise seine thematischen Elemente aus den Augen. Wenn es also bei ihm bombastisch aufrauscht wie zum Beispiel in «Coach Ride» oder «The Charge», dann nicht in abgehackten Bruchstücken und leerstehenden Hülsen, sondern eben richtig und auch folgerichtig entwickelt. Stets werden die Bauteile und thematischen Gelenkstellen der Komposition wieder angespielt, verkürzt oder erweitert, so daß man als Hörer immer den einzelnen Motivlinien nachspüren kann und sich nicht in irgendeinem chaotischen Mumien-Labyrinth alptraumhaft verrennen muß oder gar auf einem durchgedrehten Affenplaneten gelandet ist.
Dabei wird den Blechbläsern und diversen Schlaginstrumenten etwa in den Tracks «Coach Ride» und «The Riot Begins» regelrechte Schwerstarbeit abverlangt, weil hier Arnold geradezu wuchtig-donnernde Furien auf den Hörer losläßt, die eher empfindsame Gemüter durchaus vielleicht etwas abschrecken können. Eine großangelegte, schmetternde Abenteuermusik also, die mit ihren sensationellen Orchesterattacken, pulsierenden Rhythmen und der mitreißenden Melodik für mancherlei Begeisterung sorgen kann.
In eher sanfte Gefilde führt hingegen das von anmutigen Gitarrenklängen intonierte Liebesthema «D’Artagnan and Francesca», das im weiteren Verlauf des Scores meiner Ansicht nach leider ein bißchen zu kurz kommt und so auf etwas verlorenem Posten steht. Es wäre mit Sicherheit wünschenswert gewesen, wenn Arnold diese Melodie noch weiter entwickelt hätte, aber man kann es kaum dem Komponisten als Fehlleistung anrechnen, daß der zu vertonende Film eben einfach zu actionbetont ausgefallen ist.
Wieviel Spaß Arnold selber an dem bunten und rasanten Swashbuckler-Treiben hatte, läßt sich an den sich selbst nicht ganz ernst nehmenden und parodistisch gemeinten Tracktiteln wie «Mansion Impossible» und «Jailhouse Ruck» ablesen. Man mag dem Komponisten durchaus vorwerfen, daß er, anders als die hier eher empfindsameren Franzosen wie Jean-Claude Petit oder Georges Delerue, vollkommen auf dem Sujet eigentlich angemessene barockisierende musikalische Elemente verzichtet hat, aber das ist nun mal Arnolds Sache nicht. Mit kraftvollem Drive und ungestümer Rhythmik bringt er das vollbesetzte Orchester auf Touren und sorgt im feierlich-pompösen Schlußtrack «Ceremony» auch noch für ein würdevolles Finale.
Insgesamt gesehen ist die kompositorische Inspiration zwar nicht ganz auf der Höhe von Arnolds bisherigen Soundtrack-Highlights angesiedelt, für ein solide gestricktes und von Arnolds Spezi Nicholas Dodd glänzend dirigiertes Höralbum reicht es hingegen allemal. Und gute Action-Partituren aus den USA mußte man im abgelaufenen Jahr sowieso mit der Lupe suchen.
Stefan | 2002
THE MUSKETEER
David Arnold
Decca
49:39 | 16 Tracks