The Medusa Touch

Review aus The Film Music Journal No. 11, 1997

Vor zwei Jahren erhielt Michael J. Lewis die dankbare Gelegenheit, Auszüge aus mehr als einem Dutzend seiner Filmkompositionen mit guten Ensembles für eine Doppel-CD (ORCHESTRAL FILM MUSIC: THE FIRST TWENTY-FIVE YEARS 1969 – 1994) aufzunehmen, deren stilistische Spannweite und durchgängige musikalische Qualität doch sehr beeindruckte. Auch eine mittlerweile vergriffene Promo-CD mit Originalauszügen sorgte dafür, dass Lewis’ allzu wenig geläufiger Name ein wenig Glanz erhielt. Nun schließen sich vier Einzel-Promo-CDs mit Originalaufnahmen der Lewis-Scores SPHINX, UPON THIS ROCK, THE PASSAGE und THE MEDUSA TOUCH an, samt und sonders in mehr oder weniger ausführlichen, bisweilen auch irreführend kompilierten Suiten auf der Doppel-CD vertreten. Sammlern mit Vorliebe für komplette (oder ausführlich dokumentierte) Scores müsste also das Herz höherschlagen, andere dürften von Fall zu Fall fragen, ob es wirklich nötig war, vier CDs zu füllen.

Doch soll es hier nur um den zuletzt genannten Titel gehen. „Der Schrecken der Medusa“, wie der deutsche Verleihtitel heißt, ist eine englisch-französische Co-Produktion, 1977 unter der Regie von Jack Gold gedreht. In einer seiner späten Rollen glänzt er weniger, als dass er dem Betrachter einen Schauer nach dem anderen einjagt: Richard Burton besitzt die horrorfilmkompatible Fähigkeit zur Telekinese, kann also mittels seines Willens Gegenstände bewegen. Diese unheilvolle Neigung bleibt auch erhalten, als er nach einem Attentat im Koma liegt. So stürzen Flugzeuge ab, eine große Kathedrale bricht ein, während die staatlichen Spürhunde nach der Erklärung forschen. Vieles wird in Rückblenden erzählt, die auch den gesunden Burton alias Molnar in glücklicheren Zeiten zeigen. Michael J. Lewis’ Komposition besteht aus Spannungsmusiken, eingelagerten Orgelstücken und – musikalisch flacheren – Romanzen.

Einige dynamische Höhepunkte sind bereits auf der Doppel-CD vertreten, speziell die Zerstörung der Kathedrale, eine krude, aber atemberaubende Mischung aus Vivaldi und Strawinsky mit einem Schuss Lewis typischer Orchestrierung. Wer die neue Promo-CD durchhört, wird hingegen kaum je aus der Atmosphäre drohenden Verhängnisses entlassen, auch das Finale gerät nicht zur befreienden Katharsis. Stellenweise (z.B. den „Dark Moments“-Stücken Nr. 11 und 14) kommt es zu psychedelischen Trips, deren ungute „Vibrationen“ (wie Nr. 15 heißt) sich tief einprägen. In diesem Sinne besteht die Erweiterung des Horizontes, welche sich in Kenntnis dieser CD einstellt, darin, dass es sich keineswegs um einen Action-Score handelt, welchen die Exzerpte auf der Doppel-CD noch suggerieren mochten. Vielmehr entpuppt sich diese Lewis-Partitur als zeittypisches Produkt der siebziger Jahre, mit allen seinerzeit angesagten Vorstößen ins Übersinnliche, den Rausch und Grenzüberschreitungen, vor allem aber der Kritik am Fortschritts- und Technikglauben der westlichen Zivilisation.

Als Beitrag zu jener Kulturphase ist die CD denn auch hochwillkommen, zumal Lewis’ technische Reserven beträchtlich sind. Nicht abschließend, aber als Zwischenbilanz würde ich sagen: wer ein Faible für sehr finstere, statische, zumeist aber tonale Orchestermusik besitzt, sollte sich zumindest diese der vier Lewis-Platten kaufen; im Übrigen ist aber weiterhin die genannte Doppel-CD sehr zu empfehlen.

Matthias  |  1997

THE MEDUSA TOUCH

Michael J. Lewis

Promo

51:13 | 23 Tracks