The Living Daylights – John Barrys letzter Bond-Soundtrack. Timothy Dalton – auch ein Typ. Kerniger als Vorgänger Roger Moore (wohl der letzte Gentleman). Daltons Bond kommt ohne Schalk im Nacken aus und bringt endlich Ernsthaftigkeit mit zur Arbeit. Deleted Scene: Bond auf „fliegendem Teppich“ – hätte der Kinofassung, denke ich, gut getan. Geschmacksache. Smiert Spionam, Ghetto-Blaster, Harrier-Jet, hochexplosive Milchflaschen – man lernt schon etwas dazu. Beim CD-Cover sieht sich 007 dem weißen Hauch aus fast Nichts gegenüber – zeitloses Motiv. Kurz vor Film-Ende: John Barrys Cameo-Auftritt als Dirigent.
Track 13 (filmchronologisch: Track 1), „Exercise At Gibraltar“: Damit sollte man starten – wie im Kino. 007-Gunbarrel, luftiges Opening mit Briefing im Flugzeug, Fallschirm-Absprung über Gibraltar und M’s umherflatternden Unterlagen! Testweise sollen die drei Agenten Radaranlagen überwinden: 002 erwischt keine gute Landung, getroffen von Farbmunition ist der Test für ihn rasch zu Ende. Eine mächtige Verschwörung lastet auf diesem Einsatz – musikalisch düster, als 004 ausgeknipst wird. Endlich das neue Gesicht: Dalton hört den Schrei, sieht seinen Kollegen vom Fels hinab stürzen. Das Bond-Theme klang nirgends heimeliger: 007 krackselt rüber zur Leiche. Dann startet mit Action-Pop die Jagd.
Track 3, „The Sniper Was A Woman“: Bonds rasch angelegter Tarnkragen, Präzisionswaffe unter der Bettdecke und ein extrem weiblicher Scharfschütze, Kara, (Maryam d’Abo), der nicht mal weiß, wo vorne und hinten beim Gewehr ist. Bond lässt den Überläufer Koskov (Jeroen Krabbé) untertauchen und hat einen Neider mehr in der Firma. Die unbehaglichen Klänge erzählen davon – dramatisch gesteigert bis zum Schluss.
Track 4, „Ice Chase“: Samples, Pauken, Streicher, mehr Samples, fast schon antik wirkendes 007-Theme, Bomben auf dem Eis und der Aston in Action!
Track 6, „Koskov Escapes“: Der etwas verdatterte Doppelagent Koskov ist gerade dem Pipeline-Geschoss entstiegen und wird sofort per Harrier-Jet in Sicherheit gebracht – ganz nach Bonds Plan. John Barry zelebriert dazu majestätische Wiederholungen. Zum Schluss wiegt das Bond-Theme den Hörer gemächlich davon.
Track 10, „Mujahadin And Opium“: Fulminante Wiederholungs-Synphonie, ab Min. 1 Sek. 58 übernimmt „Nahost-Percussion“, flankiert von dramatischen Streichern. Die Wüste lebt.
Track 14, „Approaching Kara“: Die ins Visier der Russen geratene Kara wird aus einer Straßenbahn entfernt, Bond ist in der Nähe. Ostblock-Flair, Pauken, Ungemütlichkeit. Hintendran: Das liebliche „Into Vienna“-Theme (Track 8), hier noch softer.
Track 15, „Murder At The Fair“: Bond jagt Necros am Wiener Prater – kurz zuvor wurde Bonds guter Helfer Saunders eliminiert. Dalton zeigt, dass 007 keine Maschine ist, 007 trauert kurz – auf seine Art, innerlich kochend. Maestro John Barry verwebt in diesem Cue viele Facetten vom Score-Gesamt-Höreindruck – diese 2 Min. 22 Sek. (im Film mittig getrennt, auf CD am Stück) haben Verwirrung, Action-Pop, Geschlagenheit, Zorn und Ausblick in sich.
Track 17, „Airbase Jailbreak“: Mit Bond aus staubigem Knast ausbrechen – aber nur, wenn John Barry mitmischt! Eingepackt ist dieser (ohne Pop) Action-Part vorn mit „Gefangenen-Marsch“ und zum Ende hin durch leisere „Wüsten-Theme“-Klänge.
Track 19, „Air Bond“: 007 ist gerade seinen Stiefel los geworden – infernal geht’s weiter mit Orchester, Großraumfrachtflugzeug-Bomber, kaputter Brücke und fröhlichen Reitern. Auch dieser Track wird im Film gestückelt verwendet.
John Barry, hoch verdienter Kollege Bonds, wirkte einst in Armee-Kapellen mit, gewann seinen 5. Oscar für Dances With Wolfes (90er-Meilenstein-Soundtrack), versuchte auch Musicals (weniger erfolgreich), lieferte 2001 zu Michael Apteds Enigma letztmalig Filmmusik ab, war Song-Co-Writer für The Ten Tenors und verstarb Anfang 2011. The Living Daylights, Remastered & Bonus-Tracks – wenn schon, dann sollte es diese Scheibe mit 18 instrumentalen Stücken sein. Nun ja, ob zwei The Pretenders-Nummern mittendrin taktisch wertvoll eingesetzt sind – wieder Geschmacksache. Die Trackliste kommt eh nicht ganz logisch daher. Barry (für A View To A Kill setzte er 1985 E-Gitarre zum Orchester ein) stellt klar: Es sind die Achtziger! Als Bond die Verfolgung des Gibraltar-Mörders aufnimmt (Track 13), kommen erstmals (und keinesfalls zuletzt) poppige Samples zu Gehör – im symphonischen Zusammenspiel hat das (mit heutigen Ohren) schon was von oldschool. Und wer mag kein oldschool?
THE LIVING DAYLIGHTS John Barry EMI / Capitol 724354145124 65 Min. / 21 Tracks