The Last Embrace

Mit der Renaissance sinfonischer Filmmusik Ende der 70er Jahre war plötzlich auch Miklós Rózsa bei jenen jungen US-Regisseuren wieder gefragt, die das klassische Erzählkino der großen Studioära wiederaufleben lassen wollten, und stellte sozusagen das letzte musikalische Bindeglied zu Hollywoods Golden Age dar.

Für seinen mit diversen Hitchcock-Referenzen gespickten soliden Thriller Last Embrace bestand Regisseur Jonathan Demme 1978 speziell auf Rózsa als Komponist und erhielt vom interessierten Altmeister auch die Zusage. Ähnlich wie im von Rózsa fast 35 Jahre zuvor vertonten Spellbound leidet die von Roy Scheider gespielte Hauptfigur bei ihrer Entlassung aus einem Sanatorium unter Alpträumen und Schuldkomplexen, so dass die Wahl des Komponisten keineswegs verwundert, der bei seinem Score vor allem auf die bekannten spannungserzeugenden Stilmittel seiner Film Noir-Vertonungen aus den 40er Jahren zurückgriff. Die Story um einen Geheimagenten, der beinahe einem Mordanschlag zum Opfer fällt und zusammen mit einer von Janet Margolin gespielten Studentin, die jedoch ein doppeltes Spiel treibt, einer Verschwörung auf die Spur kommt, verlangte nach einer dramatisch zupackenden und rhythmisch agilen Vertoung voll düsterer Klangfarben, die Rózsa selbstverständlich in gewohnter handwerklicher Perfektion und gekonnter motivischer Feinarbeit ablieferte.

Bislang lag Last Embrace nur in einer rund 25-minütigen Neuaufnahme aus dem Jahr 1982 vor, die Rózsa selbst zusammen mit den Nürnberger Symphonikern besorgt hatte und die bei Varèse zunächst auf LP und Ende der 80er Jahre auch als Club-CD (gekoppelt mit Eye of the Needle) erschienen war. Intrada legt nun in einer auf 2000 Stück limitierten Auflage erstmalig die komplette Originalversion in einer Länge von 58 Minuten vor, wobei allerdings das in zwei Fassungen auftauchende Salonmusikstück The Forties mit insgesamt etwas mehr als fünf Minuten als durchaus entbehrlich bezeichnet werden kann. Da die Stereo-Masterbänder des Scores nicht mehr existieren, mußte auf recht ordentlich klingende Mono-Backup-Kopien zurückgegriffen werden, bei denen jedoch leider die für ein oder zwei Tracks separat aufgenommenen Chor- und Sopran-Einsätze – etwa wenn Scheider über einen Friedhof geht, wo seine tote Frau begraben ist – nicht mehr auffindbar waren.

Ein Vergleich zwischen der Nürnberger Einspielung und dem Original zeigt, dass letztere – obwohl in beiden Fällen ein etwa gleich stark besetztes Orchester mit rund 50 Mann agiert – deutlich druckvoller, dynamischer, auch temporeicher dirigiert und und gespielt ist. Auf der anderen Seite besitzt die alte Varèse-Scheibe den Vorteil, dass Rózsa für die damalige Neuaufnahme in der Tat die qualitativ besten und wertvollsten Stücke in zudem etwas anderer Reihenfolge selektiert hatte. Gerade im Mittelteil der Partitur machen sich auf der Intrada-CD doch mehrere den Hörfluß hemmende Passagen bemerkbar, in denen mit vielen etwas leerlaufenden Streichertremoli und – pizzicati reine Routine über wirkliche Inspiration obsiegt. Zwar sind Tracks wie The Drive, Pursuit oder Niagara Falls im letzten Drittel der Komposition nochmals von furioser und zupackender rhythmischer Intensität durchdrungen, und auch das prächtige Finale braust in bester Rózsa-Manier majestätisch auf, doch das kann ebensowenig wie das besonders anmutige und oft für Solo-Violine gesetzte Liebesthema über so manche Längen des Scores hinwegtäuschen, die durchaus etwas altersmüde daherkommen.

Während aus Rózsas Spätwerk Providence mit seiner melancholischen Poesie und Time After Time mit seiner energiegeladenen Vitalität als eigentliche Highlights am nachhaltigsten zu beeindrucken wissen, wird Last Embrace als eher durchschnittlicher Rózsa in Erinnerung bleiben, der jedoch durch mancherlei geschickt gefertigte Reminiszenzen an des Komponisten große Noir-Periode der mittleren und späten 40er glänzen kann. Für Fans des Komponisten stellt die Intrada-Edition vor allem auf Grund der spieltechnischen Überlegenheit gegenüber der Nürnberger Einspiellung zwar eine nette Bereicherung der Sammlung dar, für Neueinsteiger dürften dagegen andere Rózsa-Werke weitaus vordringlicher sein.

Stefan, 11.10.2009

 

LAST EMBRACE

Miklós Rózsa

Intrada Special Collection Volume 104

58:31 Min. / 23 Tracks

Limitiert auf 2000 Stk.

 

 

 

 

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