The Egyptian (re-recording)

Review aus The Film Music Journal No. 21, 2000

Wenn man sich all die historischen Stoffe in Erinnerung ruft, die Hollywood in den 50er-Jahren mit grossem Aufwand auf Celluloid bannte, denkt man wohl kaum als erstes an THE EGYPTIAN (zur Rezi der Varèse Club Veröffentlichung). Zu blass inszenierte Michael Curtiz anno 1954 die Geschichte von Sinuhe, dem ägyptischen Arzt – nach dem Roman von Mika Waltari -, und daran konnten auch Mimen wie Victor Mature, Jean Simmons und Peter Ustinov nichts ändern. Wenn der Film trotzdem einen Sonderstatus geniesst, verdankt er dies seiner Musik, die zwei absolute Grössen der damaligen Zeit schufen, Bernard Herrmann und Alfred Newman.

Wie es aber zu dieser einmaligen Zusammenarbeit kam, darüber kursieren verschiedene Versionen. War es Newman, der Terminprobleme bekam und sich deshalb an Herrmann wandte, oder genau umgekehrt? Oder bot Herrmann dem geschätzten Kollegen seine Hilfe an? Das Booklet dieser neuen, überzeugenden Marco-Polo-Produktion plädiert für die erstgenannte Version, und demzufolge hatte Herrmann seine Musik nach Themen und auch im Sinn von Newman entwickelt. Auf das Resultat war er zu Recht stolz.

Wer die Originalveröffenlichung des Scores kennt und sich die doch sehr individuellen Stile der beiden Komponisten vergegenwärtigt, der hat sich wahrscheinlich des öfteren über die homogene Musik gewundert (was umso mehr erstaunt, wenn es wahr ist, dass sich die Komponisten während der Arbeit nur zweimal beraten haben) und sich gefragt, wer denn nun was geschrieben hat. Dieses Geheimnis wird jetzt endlich gelüftet, und wer hätte beispielsweise beim «Prelude» mit Chor und Orchester auf Herrmann getippt? Und noch etwas gibt diese Neueinspielung preis, nämlich dass Benny es letztlich doch nicht lassen konnte, da und dort seine klingende Visitenkarte abzugeben. Es sind kurze, dynamische Stücke wie «The Chariot Race», «Pursuit» und «Dance Macabre», die ihren Urheber deutlich erkennen lassen. Dadurch geht zwar die Geschlossenheit der alten Aufnahme verloren, störende Brüche entstehen jedoch nicht.

Da der Film elementaren Themen wie Liebe und Tod viel Platz einräumt, ist die Musik über weite Strecken ruhig, sinnlich, elegisch und zugleich geheimnisvoll. Wenn «Nefer-Nefer-Nefer» Sinuhe mit ihren Reizen betört, macht es ihr Herrmann gleich, mit sanften Soli der Holzbläser, gebettet auf behutsamen Streichern; ein ähnliches Bild zeichnet Newman in «Her Name was Merit».

Mit Würde und Respekt behandeln die Komponisten den Tod. Schwermütig ist Herrmans «The Tomb», Newman setzt Chöre ein, klagend in «Death of Merit», feierlich in «Death of Akhnaton», und er liefert auch das Highlight des Scores. Sein «Valley of the Kings» begleitet Sinuhe beim Begräbnis der Eltern und auf seiner Suche nach dem Sinn des Lebens. Auch hier sind die Holzbläser sehr präsent, sphärisch verwebt mit Streichern und dezenter orientalischer Perkussion. Man taucht ein in eine mystische Weit, ist geneigt zu glauben, der ägyptische Wüstenwind flüstere einem uralte Geschichten über eine längst vergangene Kultur zu. Oder vielleicht auch jene Überlieferten Worte, die Newman für «Hymn to Aton» verwendete. Sie stammen von Akhnaton, dem Pharao, der den Monotheismus in Ägypten einführen wollte, und er hätte bestimmt seine Freude an der religiösen Kraft der Musik gehabt.

Aber was sollen Worte? Ein Meisterwerk wie THE EGYPTIAN definiert sich über die Ohren. Wenn man mich nach der Neuaufnahme des Jahres 1999 fragt, muss ich nicht lange überlegen.

Zum Original von Varèse Sarabande, rezensiert von Andi Süess (2017).

Andi  |  2000

THE EGYPTIAN
Bernard Herrmann / Alfred Newman
Marco Polo
71:20 | 20 Tracks