The Big Sky

Review aus The Film Music Journal No. 31/32, 2004

Zwar hat Regisseur Howard Hawks selbst seinen zweiten Western THE BIG SKY (1952) wegen dem seiner Ansicht nach fehlbesetzten Kirk Douglas nie besonders geschätzt, doch hat er nichtsdestotrotz damit eines der schönsten und visuell bestechendsten Exemplare des Genres inszeniert. Wie in Hawksʼ vier Jahre zuvor entstandenem Western RED RIVER (1948) spielt das Motiv der langen Reise eine gewichtige Rolle: Statt eines Viehtrecks steht in THE BIG SKY allerdings eine Bootsexpedition den oberen Missouri hinauf im Mittelpunkt, bei der sich die beiden Trapper Jim Deakins und Boone Caudill in dieselbe indianische Häuptlingstochter Teal Eye verlieben. Mag man RED RIVER als nüchterne Prosa bezeichnen, so ist THE BIG SKY dagegen reine Poesie, wie sie sich im Einklang der Menschen mit der Natur ausdrückt und im Dahinströmen des Flusses, der den Rhythmus der Bilder bestimmt.

Spürbar wird diese stark introvertierte Haltung auch in der Musik Dimitri Tiomkins, die nun dank dem rührigen Screen Archives-Label und der Brigham Young University erstmals in der kompletten Originaleinspielung auf dieser wunderbaren CD vorliegt. Oft hat man Tiomkin seinen Hang zum lauten sinfonischen Bombast und zum wilden klanglichen Exzess vorgeworfen, doch gerade in THE BIG SKY wählt er einen weitaus subtileren Weg und überrascht mit einer zum Großteil sehr zurückhaltenden und romantischen Komposition. Allein schon die Ouvertüre weicht vom damals in Hollywood üblichen Main Title-Fortissimo-Stil ab und beginnt ganz leise mit einer von einem fernen Trommelrhythmus begleiteten Altflöte, die das gefühlvolle Teal Eye-Liebesthema intoniert, das wiederum überleitet in ein zunächst nur von Hörnern und danach auch von den Streichern dargebotenes aufwärtsstrebendes Thema.

Diese würdevolle und noble Melodie, sicherlich eine der feinsten im Tiomkin-Oeuvre, bildet den Rahmen für den ganzen Score und taucht – abgesehen von der am Lagerfeuer gesungenen Version mit dem Titel «Quand Je Réve» (Track 12: «Campfire») – daher nur am Anfang und am Ende des Films auf. Im Grunde ist dies der Archetypus eines Western-Themas: Man taucht ein in eine mythische Welt, in das wie zu einem Stilleben eingefrorene Bild der Natur des stillen Missouri-Flußtals.

Eben die Balance aus Ruhe und Bewegung zeichnet die gelungensten Westernfilme aus, und so präsentiert uns auch Tiomkin erst nach den sanften Klängen der Einleitung das eigentliche weitgeschwungene BIG SKY-Hauptthema, mit dem immer wieder das Unterwegs-Sein und das Bild der großen Fahrt des Schiffs den Missouri hinauf versinnbildlicht wird. Wird es in den ersten Tracks vor allem von Banjo, Harmonika und diversen Holzbläsern geradezu pastoral und mit folkloristischen Anklängen eingeführt (Track 2: «Road to Louisville»), so läßt Tiomkin das volle Orchester erst dann paradieren, wenn die Expedition in vollem Gange ist.

Die für den Komponisten so typischen tumultuösen Blechbläserattacken und furiosen Staccato-Rhythmen werden mit lodernder Glut ausgefahren, als das Boot etwa von der rivalisierenden Pelzhandelsgesellschaft angegriffen und in Brand gesetzt wird oder in gefährliche Stromschnellen gerät. Und in «Arrival at the Fur Company» kommen gar mitreißende dramatische Vorboten von Tiomkins FALL OF THE ROMAN EMPIRE (1964) zu Gehör.

Aufs Ganze gesehen dominiert jedoch in diesem Western-Score eindeutig der lyrische Charakter mit stark filigraner und impressionistischer Ausgestaltung. Und einfach grandios anzuhören ist es, welche Varianten und Nuancen Tiomkin aus seinen Hauptthemen über die Länge der Partitur hinweg herauszuholen weiß. Da die Musik von den einzig noch erhaltenen Azetatplatten überspielt werden mußte, ist durchweg ein leichter Rauschanteil zu vernehmen. Dies sollte jedoch niemand davon abhalten, auf diesen wunderbaren lyrischen Westernzauber und die vorbildliche Luxusedition mit 36-seitigem Booklet zu verzichten. Ein fantastischer Augen- und Ohrenschmaus.

Stefan  |  2004

THE BIG SKY
Dimitri Tiomkin
BYU FMA-DT 111
79:17 | 28 Tracks