John Williams Walt Disney Records 64:54 Min. 19 Tracks
Mit The BFG (2016) wendet sich Tausendsassa Steven Spielberg nach dem fantastischen Spionagethriller Bridge of Spies (2015) wieder einem Märchen- und Kindergeschichte-Stoff zu: The BFG ist die Adaption vom gleichnamigen, gefeierten Roman von Roald Dahl, und verspricht gemäss dem Trailer klassisches, kinderfreundliches, eher flauschig-skurriles Spielberg-Kino zu werden. Allenfalls nicht jedermanns Sache, doch das wird sich weisen. Nachdem Thomas Newman für Bridge of Spies die Filmmusik geschrieben hatte (John Williams soll wegen The Force Awakens (2015) und/oder gesundheitlichen Gründen verhindert gewesen sein), ist für The BFG nun wieder Williams selbst für die musikalische Komponente zuständig – damit ist The BFG die 41. Spielberg/Williams-Kollaboration. Das Ergebnis ist so verspielt, kindlich-leicht und zugleich vertraut und „handzahm“, dass man im ganzen Wohlklang etwas Abwechslung zu vermissen beginnt. The BFG ist eine Art Mischung aus Williams‘ Harry Potter(2001), The Adventures of Tintin (2011) und The Book Thief (2013), wobei noch etwas Abenteuermusik und „kantigere“ Action à la Hook (1991) wunderbar gewesen wäre.
Was der Musik zu The BFG fehlt ist etwas Biss und Abwechslung. Dies teilt sie mit früheren Williams-Arbeiten wie The Book Thief und Lincoln (2012). Sie alle sind unverwechselbare Filmmusiken aus der Feder des Maestros, handwerklich wunderbar und den jeweiligen Filmen auf den Leib geschnitten. Doch während einem beispielsweise Harry Potter, Hook oder auch jüngst The Force Awakens (nicht, dass die Filme vergleichbar wären) auf Anhieb mehrere markante Themen präsentierten und sich schon nach dem ersten Hören zahlreiche Motive und Höhepunkte im Ohr eingenistet haben, stellt sich nach The BFG eher Ernüchterung ein. Gemäss den erzählten Geschichten erwartet man bei Filmen wie The Book Thief und Lincoln eine eher intime, reservierte Filmmusik, doch im Falle einer Kinderbuchverfilmung mit Riesen in einem Traumland steigt die Vorfreude auf episch-ausgelassene Momente à la Flight to Neverland. Solche „Leuchttürme“ sind in The BFG leider nicht zu finden. Das Hauptthema (für den freundlichen Riesen) etabliert sich zwar nach mehrmaligem Hören auch, nimmt aber nicht annähernd so „gefangen“ wie beispielsweise Hedwig’s Theme oder jüngst Rey’s Theme. Stets solche Klassiker zu erwarten, ist natürlich gefährlich, doch stellen sich einem beim Oeuvre von Williams solche Erwartungshaltungen einfach stets ein.
Die Verspieltheit von The BFG – schwirrende, tänzelnde Streicher und Flöten, punktuell sich „räusperndes“ Blech, plötzliche Walzer-Motive – rührt vom ausgeprägten Mickeymousing her. In Kombination mit den Bildern verfehlt dieser kompositorische Ansatz seine Wirkung nicht, doch losgelöst vom filmischen Kontext kann einem die „Hektik“ und der Schalk überwältigen und man wünscht sich wiederholt ein schwelgerisches, anhaltendes Themenstatement zum Durchatmen und „einhängen“ – einen festen Anker im Trubel, ein ausgedehntes Konzertarrangement des Titelthemas (wie es Williams auf seinen Alben häufig präsentiert). Hierzu ist das Hauptthema von The BFG zu wenig dominant und verschwindet zu sehr im familiär klingenden Gesamtbild.
Fazit: John Williams‘ Musik für The BFG ist nicht ohne sehr reizvolle Passagen, doch benötigt sie mehr Zeit und Hördurchgänge, um „greifbarer“ zu werden. Das thematische Material ist dieses Mal weniger markant und reizvoll, weshalb wiederholtes Hören seltener sein dürfte als im Falle obgenannter Klassiker. Das ausgeprägte Mickeymousing lässt die Musik im Raum schwirren und flattern, wobei ab und an etwas „dramatisches Gewicht“ (à la die schönen Blechpassagen am Ende von Dream Country und in Meeting the Queen) beruhigend gewirkt hätte. In seinem Kommentar beschreibt Spielberg die Musik von Williams als „light symphony of musical poetry“ und „youthful“. Dies trifft sicherlich zu, wobei der Comedy-Charakter besonders in der Mitte des Albums noch etwas mehr betont werden muss, denn damit ist The BFG keine Williams-Musik, die bei jeder Gefühlslage anklingen dürfte. Für mich reicht eine Suite aus To Giant Country, Dream Country, There was a Boy, Meeting the Queen und Sophie and the BFGaus.
Basil, 6.7.2016
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