The Ballad of Cable Hogue

Review aus The Film Music Journal No. 29, 2002

„Ein Film über einen Mann, der Wasser findet, wo es keines gibt —und über Gott.» So knapp umriss Sam Peckinpah einst seinen Lieblingsfilm, dessen Titelheld in vielerlei Hinsicht ein Alter ego des Regisseurs sein dürfte. Ein kauziges Rauhbein ist er, dieser Cable Hogue, mürrisch und misstrauisch, von Rachsucht getrieben. Einer, der die Einsamkeit seiner bescheidenen Postkutschenstation dem ruhelosen städtischen Leben vorzieht. Einer, der uns nicht sehr sympathisch wäre, würde er nicht vom wunderbaren Jason Robarts verkörpert, dessen nuanciertes Spiel uns die Figur mit all ihren Schwächen und Fehlern liebgewinnen lässt.

Lässt sich das nicht auch über Jerry Goldsmith› Musik sagen? Eine Musik, die nicht viel gemein hat mit seinem dramatischen Westernscoring à la HOUR OF THE GUN oder TAKE A HARD RIDE. Einfache Musik. Ein entschlacktes Orchester lässt diverse Soloinstrumente auftrumpfen. Wir erleben friedvolle Gitarren, eine Mundharmonika, die mal einsam durch die Wüste streift, mal im Verband mit Banjo, Maultrommel, Fiedel und Klavier gut gelaunt bluegrasst. Eine Kirchenorgel, die das lüsterne Treiben des merkwürdigen Wanderpredigers Sloane gutheisst. Sie alle bilden die ideale Begleitmusik zu dieser vielschichtigen Erzählung mit leisen Zwischentönen. Doch, es ist eine Musik, die sich liebgewinnen lässt.

Dabei war es ein langer Weg, bis endlich feststand, wer THE BALLAD OF CABLE HOGUE scoren soll. Nur ein Name stand schon zu Beginn fest: Richard Gillis, ein Songwriter, den Peckinpah in einer Bar hörte und sogleich engagierte. Denn das Konzept war das eines musicalähnlichen Filmes. Jede der drei Hauptfiguren sollte einen Erkennungssong erhalten, und so schrieb Gillis für Hogues Herzensdame Hildy Butterfly Mornin’s — im Film gesungen von Stella Stevens und Jason Robarts —und für Sloane (David Warner) Wait for me, Sunrise, das er selber mit seiner warmen Stimme interpretierte.

Aber ist jemand, der Lieder schreiben kann, auch der Aufgabe gewachsen, einen ganzen Film zu vertonen? Berechtigte Zweifel kamen auf, und man sah sich nach anderen Namen um. Dabei wurde der naheliegend scheinende Jerry Fielding gar nicht erst in Betracht gezogen, denn nach Ansicht von Peckinpah war der im Begriff, mit seiner Musik THE WILD BUNCH zu ruinieren. Produzent Phil Felduran schlug Jerry Goldsmith vor, doch der war unabkömmlich. Weitere Suggestionen waren Joe Mullendore, Johnny Williams und Dave Grusin. Es zogen Wochen ins Land, ohne dass man zu einer Entscheidung kam, und dadurch war plötzlich Goldsmith wieder verfügbar und bekam den Job.

Ein Glücksfall im Nachhinein? Ich denke schon, denn Goldsmith ging sehr respektvoll mit den schon bestehenden Liedern um, bettete sie harmonisch in seine Musik ein, benutzte sie als Gerüst für einige seiner instrumentalen Tracks und schrieb dann auch den noch ausstehenden Song für Cable Hogue, der auch das Hauptthema des Filmes werden sollte. Tomorrow is the Song /Sing heisst er, und für Text und Gesang war Gillis besorgt. Der unbefangene Hörer wird kaum bemerken, dass er es bei THE BALLAD OF CABLE HOGUE mit einem Gemeinschaftswerk zu tun hat.

Der zweistündige Film enthält gerade mal etwas mehr als eine halbe Stunde Originalmusik, aber solche Sparsamkeit muss, wie oft hat gerade Goldsmith dies schon bewiesen, kein Nachteil sein. Dass die limitierte Club-CD von Varese angesichts dieser Kürze nicht den kompletten Score offeriert, ist ein wenig unverständlich. Dafür gibt’s als Bonus den nicht verwendeten Cue für Hogues Sterbeszene und einen alternativen End Title.

Ein Film, in dem gesungen wird, und der gerne mal ins Slapstickhafte abgleitet? Damit irritierte Peckinpah, insbesondere nach den Gewaltorgien von THE WILD BUNCH, Kritik und Publikum gleichermassen. Dabei haben die beiden Filme mehr Gemeinsamkeiten, als man ihnen auf den ersten Blick zugestehen möchte. Denn sowohl die wilden Jungs als auch der alte Cable werden in ihren Lebensgewohnheiten von der Zeit überholt, gehören zu denjenigen, die sich um die Jahrhundertwende mit den rasanten Veränderungen und der zunehmenden Technisierung ihrer Welt niemals arrangieren könnten. Darum sind sie zum Untergang bestimmt. Wenn Cable Hogue am Ende des Films vom Fortschritt buchstäblich überrollt wird, trägt Peckinpah ein weiteres Mal den Westernmythos zu Grabe. Nur tut er es diesmal wesentlich leiser. Und versöhnlicher. Und wenn Cable Hogue, mit sich ins Reine gekommen, sein Schicksal akzeptiert und sich die Musik tröstend um den Hinscheidenden legt, kann unsere Anteilnahme tiefer sein als beim grossen dramatischen oder elegischen Gestus.

Andi  |  2002

 

THE BALLAD OF CABLE HOGUE

Jerry Goldsmith

Varèse Sarabande

37:00 | 20 Tracks