Taxi Driver

Review aus The Film Music Journal No. 15, 1998

Ein rotes Fadenkreuz ziert den Silberling mit der erweiterten Neuausgabe von Bernard Herrmanns digital restaurierter TAXI DRIVER Musik, und durch selbiges kann man jetzt auf die alte Alhambra-CD zielen, nachdem man sie zuvor an einen Baum genagelt hat. Zunächst umringt der rote Kreis allerdings den halbkaputten Zahnkranz der CD-Hülle, aus welcher beim erstmaligen Öffnen munteres Plastik herausrieselt; für diese Vorrichtung wurden wieder nur zwei Cents des Etats bereitgestellt. Es dauerte ja eine Weile, ehe die CD endlich kam, aber das geht auch auf eine Initiative der Betriebspsychologin bei Arista Records zurück. Die wollte einfach nicht verantworten, Herrmanns Schwanengesang – er starb am Tag der Aufnahme – an einem finster-nebelschweren Wintertag in die Postkästen wandern zu lassen. Sonst hätte man die Firma für eine erhöhte Suizidrate verantwortlich machen können.

Diese Musik ist sogar schon über den Weltschmerz hinaus: sie blickt in den Abgrund, sinkt vielleicht schon hinein. Mitte der siebziger Jahre waren Orchesterscores nicht gerade üblich, und Herrmanns ausgetüftelte Instrumentation – im Grunde fehlt die gesamte obere Hälfte der dem menschlichen Ohr zugänglichen Oktaven – verstörte die zeitgenössische Kritik. Er schichtete nicht einfach Töne gleicher Instrumente zu Terzstapeln zusammen, sondern rauhte den Klang dergestalt auf, daß immer der nächsthöhere Ton von einer anderen Instrumentenfamilie stammt; so als würde man lauter bunte Steine aufeinandertürmen.

Tiefe Streicher, gestopfte Hörner, Trompeten mit Dämpfern, Bassflöten und -Klarinetten, dazu Vibraphon und diverse Zupfinstrumente sowie die kleine Rührtrommel und Pauken ergeben einen beunruhigenden, clusterhaften Sound, der sich jeweils mit kleinen Umstellungen verwandeln läßt und die tiefsitzende Aggression des Protagonisten verkörpert. Es ist bezeichnend, daß die einzige eingängige Melodie der Partitur -jene für Saxophon -nicht allein von Herrmann stammt, weil der sich nicht für Jazz interessierte und das auch gnadenlos kundgab. Mit Hilfe Christopher Palmers konnte er die entsprechenden Elemente aber doch beisteuern.

Regisseur Martin Scorsese, immer schon an guter Filmmusik interessiert, schrieb höchstselbst das salbende Wort auf dem zur Größe von 9 Rittersport-Tafeln ausfallbaren Beiblatt, welches dankenswerterweise sogar angibt, welche Takes der ja nicht mehr abschließend begutachteten Einspielung jeweils verwendet wurden. Zwischen vielen CD-Eintagsfliegen wurde hier eine der notwendigsten, dunkelsten, rabiatesten Filmmusikplatten zusammengestellt und zum Normalpreis unters Volk gebracht. Vor dem Hörgenuß bitte das Telefonbuch mit der Nummer der Psychiatrie bereitlegen und die Handgranaten im Gartenteich ertränken!

Matthias  |  1998

 

TAXI DRIVER

Bernard Herrmann

Arista

61:33 | 18 Tracks