Review aus The Film Music Journal No. 19, 1999
Und noch ein Scott hinterdrein. Meine ziemlich vergilbten Erinnerungen an die gleichnamige TV-Serie konnte ich bislang nicht durch den – laut Philippe zweifelhaften – Genuß der Spielfilmversion auffrischen. Ist aber auch egal, denn anders als im Fall von BECOMING COLETTE vermag hier ein guter Teil der veröffentlichen Musik John Scotts auf eigenen Beinen zu stehen; überdies befriedigt die Tontechnik weitaus mehr.
Stilistisch schließt Scott, wie stets den guten alten Orchesterklang einer nach wenigen Jahren unerträglichen Synthiepampe vorziehend, an seine Highlights an. Nicht ganz einsichtig wird ohne Kenntnis des Films, warum er in der ersten halben Minute überdeutliche Anspielungen auf Anton Bruckners Siebte Symphonie inszeniert, aber «Leaving Hong Kong», stilistisch sonst ein Nachzügler der Cousteau-Naturfilmpartituren, ist ein kraftstrotzend-vollblütiger Ohrwurm der feinsten Machart, den man gern ein paarmal in die Wiederholungsschleife lotst, ehe es kurzfristig in ruhigeren Gewässern weitergeht. Dieses Stück allein, genau das, was man sich von einem heroisch-vitalen Hollywoodscore dieser Tage erhoffen würde, wäre ein echter Kandidat für 5 Bewertungspunkte, doch leider hält sich Scott nach dem hinreißenden Einstieg nicht ganz auf dieser Höhe.
Schuld daran ist sicher der Film, muß einfach… Es gibt aber genug, was diese CD zur dankbaren Bereicherung eines jeden Sammlers üppig instrumentierter Filmmusik macht. Die Begegnung mit dem Hai fordert dem Orchester ruppige Rhythmen ab, Piraten auf offener See illustriert Scott als bedrohliche Baßtremoli mit aufgesetzten Spitzen der hohen Orchesterinstrumente; dann setzt ein schräges Szenario ein, bis die Schurken von der Bildfläche verschwunden sind. Den Löwenanteil des Films stellen aber gewiß wie in der Serie jene Episoden, die nach dem Untergang des Schiffes auf einer exotischen Insel spielen, mit wilden Tieren und sonstigen die Abenteuerlust anstachelnden Zutaten.
Auch in der Erkundung des rettenden Eilandes kann Scott seine reichen Erfahrungen aus den Naturprojekten Cousteaus einbringen – und malt in pastosen Farben. Dabei wirken diese melodischen Einfälle nicht so sehr in der Vereinzelung, sondern aufgrund der expressiven Instrumentierung – ist das ein Kontrabaßfagott in Track 15 oder sogar eine Ophikleïde? – und verwendeten Skalen mit Ganzton- und übermäßigen Intervallschritten.
THE NEW SWISS FAMILY ROBINSON bedient keine extremen, schon gar keine besonders progressiv ausgerichteten Erwartungen, ist aber einfach ein begeisternd gut gemachtes Orchesterspektakel ohne doppelten Boden, mit genug Energie ausgestattet, um eine Stunde lang übermütig abzufackeln. Wer viel Spaß versteht, gleichzeitig aber plattes Komikergetue verabscheut, ist hier bestens aufgehoben: Ein pyrotechnisches Glanzstück wie «Chasing Turkey» zeigt, daß der Brite ein weit offenstehendes Herz und viel Sinn für malefizbübischen Schabernack besitzt.
John Scott at his allerbest!
Matthias | 1999
THE NEW SWISS FAMILY ROBINSON
John Scott
JOS
65:01 | 19 Tracks