Manchmal entsteht eine Filmmusik unter den kuriosesten Umständen, aber viel kurioser als bei Star Trek: The Motion Picture geht es nicht, und dass angesichts der chaotischen Zustände, mit denen sich Jerry Goldsmith konfrontiert sieht, etwas Brauchbares entsteht, geschweige denn einer seiner ganz grossen Klassiker, grenzt schon an ein kleines Wunder.
Man stelle sich vor: ein Komponist, der während der verzweifelten Suche nach einem Hauptthema fast das Handtuch wirft, ringt sich schliesslich einen von Abenteuergeist erfüllten Marsch ab, der mittlerweile einen unverzichtbaren Bestandteil des Star-Trek-Universums bildet und zu seinen bekanntesten und beliebtesten Kreationen gehört, und er schreibt für die Klingonen ‒ obwohl er nach eigener, wie ernst auch immer gemeinten Aussage zeitlebens nicht wusste, was ein Klingone überhaut ist ‒ Musik, die dieses Volk so trefflich charakterisiert, dass sie nachfolgenden Komponisten als Blaupause dient.
Weil die Dreharbeiten dem Terminplan hoffnungslos hinterherhinken, Paramount das Aufnahme-Studio aber schon gebucht hat, macht Goldsmith, damit das hundertköpfige Orchester nicht zu lange tatenlos auf der Bühne herumhockt, Beschäftigungstherapie, indem er von schon aufgenommenen Cues alternative Takes einspielt. Was kann man sonst schon tun, wenn fertig gedrehte Szenen nur einzeln hereintröpfeln, und das erst noch meist am Feierabend. Dem Komponisten bleibt dann nichts anderes übrig, als rasch nach Hause zu eilen, schleunigst die Musik dazu zu schreiben und diese nachts aufzunehmen.
Eine Auffälligkeit von ST: TMP sind öfters anzutreffende, längere Passagen, in denen Goldsmith die Tonspur praktisch für sich alleine beanspruchen darf, dies ist aber nicht allein auf Uneigennützigkeit von Regisseur Robert Wise zurückzuführen, sondern der Tatsache geschuldet, dass die Zeit letztendlich so knapp wird, dass der Film ohne fertige Klangeffekte in die Kinos kommt und die Musik dies kaschieren muss. Goldsmith dürfte es gefreut haben, erhält doch selten ein Filmkomponist die Gelegenheit, sich so in Szene zu setzten wie beispielsweise in der minutenlangen, unvergesslichen The Enterprise-Sequenz, in der die Kamera ehrfürchtig das Raumschiff umrundet und Goldsmith mit kontinuierlich anschwellender Musik, die sich aus Hauptthema und Starfleet-Motiv zusammensetzt, dessen Grösse, Kraft und Eleganz preist.
Verbindet man Goldsmith und Science Fiction bis anhin mit Avantgarde, setzt er hier nun vorwiegend auf Romantik. Das zeigt sich nicht nur im Hauptthema, sondern auch in Ilia’s Theme, das nebst seiner Funktion als Liebesthema auch als Grundlage zur Overture dient. Es strahlt eine ausserirdische Qualität aus, ist damit aber längst nicht alleine. Goldsmith nimmt uns durch ausgeklügelten Orchestrationen mit auf eine staunenswerte Reise ins Weltall, dessen Fremdartigkeit durch Synthesizer unterstrichen wird. Diese sind aber so perfekt ins Orchester integriert, dass man sie als natürlichen Bestandteil desselbigen wahrnimmt. Mit Ausnahme des Blaster Beam, dessen tiefer, blecherner Klang bewusst hervorgehoben wird, um die Gefahr der rätselhaften Daseinsform V’Ger zu verdeutlichen, die sich der Erde nähert. Zwar benutzen auch andere Filmkomponisten den Blaster Beam, aber nirgendwo hinterlässt er einen so nachhaltigen Eindruck wie bei diesem Score, den Goldsmith denn auch als «Konzert für Beam und Orchester» bezeichnet.
Klotzen, nicht kleckern. Diese Devise, die derzeit für viele Soundtrack-Veröffentlichungen gilt, nimmt sich auch La-La Land zu Herzen. Gleich drei CDs werden der Mutter aller Star Trek-Kinofilmmusiken gewidmet. Ist dies gerechtfertigt? Jein, würde ich sagen. Wohl haben wir jetzt mit den zusätzlichen 20 Minuten gegenüber der 20th Anniversary Edition den kompletten Score, so, wie er sich im Film präsentiert, und der enthält auch die 10 Cues von Star-Trek-Veteran Fred Steiner, der aus Zeitgründen angeheuert wird (er arbeitet zwar mit Goldsmiths Themen und richtet sich nach ihm, aber aufmerksame Ohren werden stilistische Unterschiede registrieren), sowie kurze Auftritte des TV-Themas, von dessen Schöpfer Alexander Courage selbst arrangiert, denn Goldsmith liess vertraglich festlegen, das Thema nicht verwenden zu müssen. Dies ist schon eine sehr feine Sache, vor allem auch wegen der ausgezeichneten Klangrestauration.
Über den Miteinbezug des Original-Albums lässt sich debattieren, da dieses jedoch mit Ausnahme von The Enterprise aus anderen Takes als die Filmversion besteht, gibt es dafür schon eine Rechtfertigung. «The Unused Early Score» bietet faszinierende Einblicke in die Metamorphose einer Filmmusik, hier begeistern vor allem The Enterprise und Leaving Drydock, die eher an Segel- als an Raumschiffe erinnern.
Über CD 3 mit weiteren Alternates und Tracks mit isoliertem Beam und Synthesizern kann man sich dann aber wirklich streiten. Der «normale» Hörer mag sich aus Kuriositätsgründen noch für die flotte Discobearbeitung des Hauptthemas sowie A Star Beyond Time ‒ eine schwülstige, vom damaligen Teenieschwarm Shaun Cassidy dargebrachte Vokalversion des Liebesthemas ‒ erwärmen, aber wer ausser eingeschworendste Goldsmith-Fans hört sich den ganzen Rest regelmässig an?
Trotz alledem kommt man nicht umhin, diese Edition in höchsten Tönen zu loben. Allein Klang, Präsentation und ein lesenswertes Booklet sind schon stichhaltige Kaufargumente, von der Qualität der Musik ganz zu schweigen. Denn Star Trek: The Motion Picture bleibt in dieser Hinsicht, obwohl sich die Filmreihe im allgemeinen erstklassiger Scores ‒ vor allem jene von Goldsmith und James Horner ‒ rühmen darf, unerreicht.
STAR TREK: THE MOTION PICTURE Jerry Goldsmith La-La Land Records 1207 CD 1: 72:06 / 21 Tracks CD 2: 74:31 / 19 Tracks CD 3: 74:37 / 25 Tracks Limitiert auf 10'000 Stk.
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