Die Erwartungen sind riesig. Nach dem äusserst gelungenen und ebenso erfolgreichen Skyfall (2012) folgt nun Spectre (2015), wieder mit Sam Mendes auf dem Regiestuhl und Daniel Craig in der Titelrolle sowie einer Bösewicht-Traumbesetzung mit Christoph Waltz. Das Ergebnis vermag gut zu unterhalten, kommt punkto Unterhaltungswert und Tempo jedoch nicht an Skyfall und damit wohl auch nicht an die Erwartungen der Mehrheit heran. Ebenfalls wieder mit von der Partie ist Komponist Thomas Newman. Seine Musik zu Spectre ist weniger anonym und zurückhaltend, als der wenig markante Score zu Skyfall, doch vermag auch hier nur selten wirkliche Aufregung aufkommen und das erneut überlange Album (fast 80 Minuten!) krankt an zahlreichen atmosphärischen Durchhängern.
Den Eindruck, den Newmans Spectre-Score hinterlässt, ist merkwürdig durchzogen. Wie schon bei Skyfall so wartet auch Spectre kaum mit eingängigen, markanten, wiederkehrenden Themen auf (abgesehen natürlich von den Zitaten des Bond-Themas von Monty Norman). Hingegen hat Newman für seinen zweiten Bond-Score ein paar auffällig extrovertierte, zackige und krachende Action-Stücke komponiert, was nun doch eher überrascht und daher gut gefällt. Denn: Newman und Action-Musik blieb auch nach Skyfall irgendwie eine „exotische Kombination“. Er schreibt fantastische und herzzerbrechende intime, dramatische, verschrobene (Synthi-) Musik, doch die Voll-auf-die-Schnauze-drauf-Action gibt man ihm einfach nicht.
Mit Spectre belehrt er einem stellenweise jedoch eines Besseren: die Stücke Backfire, Snow Plane und Tempus Fugit lassen es nicht nur krachen, sondern warten auch mit packenden Rhythmen abseits der trockenen Electro-Beats und Choreinwürfen auf – letzteres ist besonders toll und in Bond-Musiken viel zu selten anzutreffen. Dass wir mal solche Stücke aus der Feder von Thomas Newman zu hören bekommen, hätten wohl die wenigsten gedacht. Schön und mit viel dramatischem Gewicht ist auch der Choreinsatz im Stück The Eternal City gelungen. Ebenfalls lassen die Instrumentalversion von Writing’s On The Wall(komponiert von Sam Smith und James Napier; über die desolate Song-Version wird an dieser Stelle der Mantel des Schweigens gelegt), das geheimnisvoll-schwelgerische Stück Madeleine und das exotisch-mitreissende Ende von Secret Room aufhorchen. Die Stücke Los muertos vivos estan und Day of the Deadbeinhalten Auftritte der Band Tambuco, eine mexikanische klassisch-zeitgenössische Perkussionsgruppe. Damit erhalten diese Stücke einen tollen „Drive“ und bringen willkommene Abwechslung ins Albumprogramm. Im Falle von Los muertos vivos estan verschmelzen Tambucos und Newmans Ansätze jedoch zu einer schönen Einheit, während Day of the Dead mit seinem rhythmischen Gesang wenig mit dem ihn umgebenden Score zu tun hat. Nach Tempus Fugitgeht dem Album jedoch die Puste aus bzw. wird die Musik repetitiv und wenig motiviert, womit das Finale dann leider nicht mehr als routiniertes Suspense-Scoring ist. Spectre (End Title) bietet nach einer unterkühlten ersten Hälfte eine schöne Wiederholung von Madeleine’s Thema, womit das Album nach dem enttäuschenden Finale versöhnlich ausklingt.
Fazit: Die Filmmusik zu Spectre ist abseits der Bilder wesentlich kurzweiliger als jene zu Skyfall. Mit den Highlights Los muertos vivos estan, The Eternal City, Backfire, Madeleine, Snow Plane, L’Americain, Writing’s On The Wall (instrumental), Tempus Fugit und Spectre (End Title) lässt sich eine kurzweilige Suite zusammenstellen. In diesen Stücken zeigt sich auch eine schöne Vielfalt an Musikideen und mit Backfire, Snow Plane und Tempus Fugit beweist Thomas Newman, dass er gepfefferte Actionmusik komponieren kann. Diese markanten und kurzweiligen Stücke sind jedoch in unzählige Musikminuten eingebettet, die wenig interessanten Underscore bieten und/oder anonym vor sich hin pulsieren. Damit sind 80 Minuten Musik in diesem Falle definitiv nicht förderlich. Zudem ist es ärgerlich, dass die leisen Stücke kaum hörbar abgemischt wurden und dann die lauteren Tracks durch die Boxen donnern, dass man wiederholt mit der Lautstärke-Regelung beschäftigt ist.
SPECTRE Thomas Newman Decca Records 79:42 Min. / 26 Tracks
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