SpaceCamp (Expanded Edition)

SPACECAMP (1986) ist ein wahres 80er Jahre Produkt. Seichte Story, Klischees da und dort aber auch ein durchaus vorhandenes Unterhaltungspotential mit einem ansehnlichen production value, wie es so schön heisst. Es musste nicht alles unheimlich kompliziert und doppelt und dreifach hinterfragend mit Doppelbödigkeit und sieben offenen «The Ends oder auch nicht» sein. Die Story ist also ebenso schnell erzählt wie wenig wahrscheinlich: Das SpaceCamp ist eine Art Sommer-Ferienlager für interessierte (und weniger interessierte…) Teenies in Sachen Weltraumfahrt und Space Shuttle. Eine durch den Roboter Jinx herbeigeführte Auslösung einer der Booster führt schliesslich dazu, dass die Gruppe mit ihrer Camp-Leiterin, eine frustrierte Astronautin, die bisher vergeblich auf ihren «richtigen» Einsatz warten musste, ins All befördert wird. Folglich also eine Art Eventurlaub für Pubertierende mit allem Drum und Dran. Zu sehen sind Kate Capeshaw, die nach INDIANA JONES AND THE TEMPLE OF DOOM (1984) kurzzeitig und danach als Steven Spielbergs Ehefrau in aller Munde war, Lea Thompson (BACK TO THE FUTURE, 1985), eine junge Kelly Preston, Joaquin Phoenix (im Titelspann als Leaf Phoenix aufgeführt) in seinem ersten Filmauftritt und Tom Skerritt.

Das Schicksal schlug grausam zu, als sich im Januar 1986 die Challenger-Katastrophe ereignete – der Film hatte danach so gut wie keine Chance auf ein Einspielergebnis an den Kinokassen.

John Williams, der damals vor dem Umzug von 20th Century Fox in die Amblin Räumlichkeiten (auf dem Universal Studios Gelände) stand, hatte ein erstaunlich ruhiges Filmjahr. SPACECAMP war der einzige Streifen, der anstand, auch weil das geplante PETER PAN-Musical-Projekt von Steven Spielberg nicht weiterverfolgt wurde. Dass Williams sich diesen Film aussuchte, ist bei dem bei der Filmwahl ansonsten eher mit einem guten Händchen ausgestattete Komponist also eher dem Zufall geschuldet und schliesslich der Anfrage und Empfehlung Lionel Newmans, der sich, wie dem Booklet zu entnehmen ist, zu jener Zeit von seiner Tätigkeit bei Fox zurückzog, zuzuschreiben.

Für SPACECAMP schrieb Williams einen seiner wuchtigen bigger-than-life, patriotisch getünchten Scores, die er so gut wie kaum ein anderer beherrscht. Damit hebt er Filme und im Speziellen SPACECAMP zweifellos auf ein höheres Treppchen als er es eigentlich verdient hätte (die Magie des John Williams) und verleiht ihm Ernsthaftigkeit und eine absolut packende Atmosphäre. The power of film music.

Elegisch beginnt der Score mit «Main Title» und dem Titelthema gespielt von den Hörnern. Hier – und später – sind Ähnlichkeiten aus Williams’ Musiken zu Katastrophenfilmen wie THE TOWERING INFERNO (1974) unvermeidlich. Einzig für den Roboter Jinx schrieb Williams ein Charakterthema, kurz in «The Jinx Connection» (einem der bisher unveröffentlichten Tracks) zu hören und gleich danach in «Friends Forever», «The Computer Room» sowie einem weiteren neuen Track, «Jinx Commits», enthalten. «The Shuttle» ist Williams in Topform. Wie einst der Riesenwolkenkratzer in THE TOWERING INFERNO oder der mysteriöse Devil’s Tower in CLOSE ENCOUNTERS OF THE THIRD KIND (1977) versteht es Williams die Aufnahmen des Space Shuttles nobel, mit einem Hauch mysterioso und wundervollem Pathos zu präsentieren und ein wohliges «Härchen-Aufsteh»-Gefühl zu hinterlassen. Nicht weit dahinter zu stehen kommt «The Orbit», in dem Williams das Gefühl von Flug und Schwerelosigkeit so wundervoll einfängt. Wer, hat man E.T.-THE EXTRA-TERRESTRIAL (1982) oder SUPERMAN-THE MOVIE (1978) im Ohr, könnte dies musikalisch besser rüberbringen?

Für Dramatik sorgt «Insufficient Oxygen», mit fein geschifteten Holzbläserklängen, markanten Streicherfiguren, tiefen Paukenschlägen und eingestreuten Blechstaccatos für Spannung sorgend (wir hören etwas BLACK SUNDAY, 1977, und Klangdichtungen, die später in WAR OF THE WORLDS, 2005, von Williams wieder aufgegriffen worden sind). Weitere Spannungsstücke folgen mit den neuen Tracks «Arriving at Daedalus and Morse Code» und «I Can’t Reach it» – dazwischen gepflanzt (weil chronologisch richtig, ein grosser Pluspunkt dieser CD) ist «Viewing Daedalus». Die «Mitte» des Scores ist also mehrheitlich dem Suspense (mit «Rudy Comes Through» ein weiterer Neuling) und «der Schwerelosigkeit» überlassen, während mit den letzten Tracks «White Sands», «Re-Entry», «Home Again» und «SpaceCamp» (ein wahrer Zungenschnalzer à la «1984 Olympic Fanfare») SPACECAMP wieder flott Fahrt aufnimmt.

Ziemlich aus dem Rahmen fällt, wenigstens instrumentarisch, «Training Montage», ein wahrhaftiges 80er Jahre Stück mit Synthesizer, E-Bass und Schlagzeug aus der Dose, das damals schon bei der LP ein mittelgradiger Störfaktor im Hörfluss bildete.

Wie im guten Booklet zu lesen ist, war für SPACECAMP eine jener damals so in Mode gekommenen Songalben à la GREMLINS (1984) und BACK TO THE FUTURE (1985) geplant, zum Glück wurde nichts daraus. Drei der Lieder hätte des Komponisten Sohn, Joseph Williams, beigesteuert, der zwei Jahre später für zwei Tonträger Leadsänger der Band Toto war (und es nun seit mehr als 10 Jahren wieder ist).

Für mich bildete SPACECAMP stets den Abschluss des markanten und wundersamen Stils, den Williams Mitte der 1970er zu pflegen und hegen begann. Zwar flackerte diese Phase dann und wann in Musiken wie INDIANA JONES AND THE LAST CRUSADE (1989), stellenweise ALWAYS (1989) und HOOK (1991) nochmals kürzer oder länger auf, doch änderte sich die danach die Stilistik vieler Williams-Arbeiten. In dieser Beziehung ist SPACECAMP durchaus eine Besonderheit.

Trotz des Filmflops und der schwierigen Umstände erschien 1986 eine LP zum Film, die 48 Minuten Musik enthielt – allerdings wurde diese Platte relativ schnell vom Markt zurückgezogen, weshalb auch sie bald zu einem Sammlerstück avancierte (erstaunlicherweise konnte man sie in der Schweiz noch erstehen). Wir erhalten, von der reinen Scoredauer her, auf der neuen Intrada-CD nun knapp 9 Minuten mehr Musik geboten, dazu gesellen sich bei den «Extras» die Filmversion des «Main Title» (sicher das interessanteste Bonusstück). CD 2 bietet die bekannte LP-Version, die 1992 in Japan als CD erschien (und sehr gesucht war) – erst 2010 und vier Jahre danach legte Intrada ein straight Re-Issue auf.
Nun also gibt es die wohl definitive Edition dieser wundervollen Musik.

Phil  |  14.06.2022

SPACECAMP
John Williams
Intrada
CD 1: 69:53 | 23 Tracks
CD 2: 48:36 | 14 Tracks