Soylent Green / Demon Seed

Review aus The Film Music Journal No. 31/32, 2004

SOYLENT GREEN ist eine jener pessimistischen Zukunftsvisionen, wie sie in den Siebzigern Hochkonjunktur hatten. Im hoffnungslos übervölkerten und hungerleidenden New York City des Jahres 2022 macht der Cop Robert Thorn (Charlton Heston) während der Ermittlungen in einem Mordfall eine grausige Entdeckung.

Für die Musik zeichnete Fred Myrow verantwortlich. Dies dürfte in Filmmusikkreisen ein nicht allzu bekannter Name sein, ich zumindest kenne ausser Soylent Green keine seiner übrigen Filmarbeiten. Der Score, an dem auch Mark Fleischer, der Sprössling von Regisseur Richard Fleischer mitgewirkt hat, beginnt recht vielversprechend. «Prologue/Opening City Music» ist eine Fusion aus Folk und Jazz, zu der sich überlagernde Streicher gesellen. Danach fällt er etwas ab, weil er zu einem beträchtlichen Teil aus Source-Musik besteht; urbaner Rock und Funk oder, wenn Synthesizer und Elektro-Violine beteiligt sind, eine Art futuristische Lounge-Musik. Dramatischen Underscore enthält der Film herzlich wenig, was auch damit zu tun hat, dass einige der in diese Kategorie fallende Cues gar nicht verwendet wurden. Auf der CD sind sie jedoch drauf. So lässt sich nachprüfen, wie das Originalkonzept für den unvergesslichen Abschied von Thorns altem Kumpel Sol (Edward G. Robinson in seinem letzten Leinwandauftritt) klingt.

Myrow schien sich an den Bildern, die die letzten Augenblicke des Sterbenden versüssen, zu orientieren. Sie zeigen die Schönheiten der Erde, wie sie einmal war, und er wählte dafür eine pastorale Elegie, angelehnt an Debussy und Ravel. Letztlich setzte man dann jedoch auf Musik von Tschaikowsky, Beethoven und Grieg, ausgewählt und dirigiert von Gerald Fried. Für einmal eine richtige Entscheidung, denn wegen dem Bekanntheitsgrad dieser Werke brennt sich die Szene viel tiefer ins Bewusstsein ein. Der letzte Track von SOYLENT GREEN ist eine Ansammlung kürzerer Cues, die praktisch ausschliesslich elektronisch gestaltet sind, und damit wird eine Brücke geschlagen zum Auftakt von DEMON SEED.

Auch hier ist vorerst Synthetisches zu hören, was verständlich ist, geht es doch im Film nach einem Roman von Dean Koontz um ein voll automatisiertes Haus, dessen Computer die Kontrolle an sich reisst und der Frau seines Programmierers zwecks Fortpflanzung an die Wäsche geht. Leute, die es wissen müssen, erklären, dass sich Jerry Fielding bei der Elektronik Stockhausen zum Vorbild genommen hat und beim Orchester Lutoslawski. Da kann ich nicht mitreden, denn ich habe mich mit beiden Oeuvres bisher noch nicht befasst. Es mag so sein, aber in den unterkühlten, emotional auf Sparflamme gehaltenen Orchesterparts vermag sich denn doch immer wieder Fieldings Persönlichkeit zu behaupten.

Die Computereffekte sind recht gewöhnungsbedürftig und wohl eher was für den hartgesottenen Avantgarde-Hörer. Da klopft, klickt, blubbert, knarrt und sägt es ganz ordentlich, und diesbezüglich weisen die ersten Minuten des Scores eine gewisse Ähnlichkeit mit ALIEN auf. Mit jenem Goldsmith-Werk verbindet DEMON SEED auch die Tatsache, dass beide Werke am Ende einer allzu kurzen, extrem experimentierfreudigen Phase in Sachen Science-Fiction-Musik stehen, bevor, wie wir alle wissen, Star Wars diesem Trend ein abruptes Ende bereitete. Deshalb muss Fieldings Beitrag – man mag davon halten, was man will – eine gewisse Bedeutung zugestanden werden.

Andi  |  2004

SOYLENT GREEN / DEMON SEED
Fred Myrow / Jerry Fielding
FSM Vol. 6 Nr. 8
79:49 | 18 Tracks