Das Score-Album zu Southpaw (2015) ist in mancherlei Hinsicht speziell. Zum einen handelt es sich bei dieser Musik um die letzte komplette Filmmusik, die James Horner (1953–2015) komponiert und aufgenommen hat (Horner ist am 22. Juni 2015 tödlich verunglückt). In der Folge haben die Filmemacher den Film ihm gewidmet und Sony Music gestaltete ein neues CD-Cover mit dem Zusatz „This Album is Dedicated to the Memory of James Horner“. Zum anderen soll Horner nicht nur auf eine Lohnzahlung verzichtet, sondern die entstandenen Kosten gar aus der eigenen Tasche bezahlt haben, wie Regisseur Antoine Fuqua bekannt gab. Dies, weil kein Geld mehr für die Musik verfügbar war, ihn die erzählte Vater-Tochter-Geschichte jedoch so sehr berührt haben soll, dass er den Job auch ohne Entlohnung machen wollte. Und letztlich ist Southpaw auch deswegen eine spezielle Horner-Scheibe geworden, weil sie nicht von eingängigen Themen und satten Orchester-Tutti dominiert wird, sondern mit viel Elektronik und atmosphärischen Klangkompositionen eine weniger bekannte Seite von Horner präsentiert. Das Ergebnis ist über weite Strecken kühl, klanglich anspruchsvoll und wohl nur für wenige durchgehend unterhaltsam, bietet jedoch interessante Passagen.
Mit Southpaw liefert Regisseur Antoine Fuqua keinen Action-Kracher, sondern ein raues, kratziges und bedrückendes Drama. Auch die Boxer-Thematik ist zweitrangig. Der Film erzählt die Geschichte eines Boxers, gespielt von Jake Gyllenhaal, der zuerst seine Frau aufgrund eines Unfalls verliert, in der Folge, erstickt von Trauer, das Boxen aufgibt, und dem im Anschluss auch noch die Tochter weggenommen werden soll. Um dies zu verhindern, muss er sich und sein Leben wieder in den Griff kriegen, weshalb er auch zurück in den Ring steigt. Das Boxen also allem voran auch als Parabel für den eigenen Kampf. Ein eher ungewöhnlicher Stoff für eine Horner-Musik. Bevor James Horner offiziell als Komponist bestätigt wurde, meinte er in einem Interview: „Es wird eine völlig neue Erfahrung für mich sein. Ein Film, wie ich ihn noch nie gemacht habe. Das reizt mich, da ich es als grosse Herausforderung anschaue. Die Musik wird sehr kantig sein, sehr schlicht. Keine Musik für grosses Orchester.“ Diese Aussage trifft den Charakter der Musik sehr gut. Weder ein Orchester noch Solisten sind im CD-Booklet aufgeführt. Neben elektronischen Klangkreationen spielen Klavier, Trompete, wenige Streicher und Keyboard einige Soli. Ob es sich hierbei um tatsächliche Soli handelt oder um synthetische Kreationen vermag ich nicht abschliessend zu sagen. Im Booklet dankt Horner Regisseur Fuqua und John Houlihan (music supervisor) dafür, dass sie ihn mit „einigen ordentlich modernen musikalischen Texturen“ haben experimentieren lassen. Einige Fan-Kommentare auf verschiedenen Filmmusik-Foren schrieben zu Southpaw, dass die Musik danach klinge, wie wenn Horner den Remote Control-Stil habe adaptieren müssen. Dies sehe ich nicht so. Southpaw enthält viel Elektronik und während des Finales wird man gar an Hans Zimmers Dark Knight-Thema erinnert, doch klingt Southpaw meiner Meinung nach trotz den erlaubten Klangexperimenten und der dominierenden Elektronik immer noch über weiteste Strecken nach einer Horner-Musik – diese typischen Klaviereinsätze und die Streicher.
Das Ergebnis ist eine dunkle, stellenweise wütende, oftmals traurige und melancholische Musik geworden. Damit ist Southpaw ein wenig aufbauendes Hörerlebnis und ein nachhallendes Ohrwurm-Thema wird einem auch nicht geboten. Es kommt etwas überraschend, dass die Musik so „reserviert“ ausgefallen ist, wenn man bedenkt, dass Horner aufgrund der dramatischen Vater-Tochter-Geschichte so grossen Gefallen an diesem Projekt fand. So gesehen, hätte man dann eventuell doch noch etwas mehr Harmonien und Drama erwartet. Doch Horner „schattiert“ mit seiner Musik sehr zurückhaltend und präsentiert mit Southpaw eine Komposition, die irgendwo zwischen den elektronischen Passagen von Beyond Borders und den kühleren Momenten von House of Sand and Fog eingeordnet werden kann. Die warmen Farbtöne werden überwiegend vom Klavier vorgetragen, welches auch eine Art Hauptthema im zweiten Stück präsentiert, A More Normal Life. Es ist ein simples Thema, das Horner in der kühlen Klanglandschaft jedoch sehr effektiv immer mal wieder einsprenkelt. Danach taucht der Score mit den Stücken A Fatal Tragedy, The Funeral, Alone… und Suicidal Rampage ab in dunkle, harsche und kühle Gefilde. Diese anzuhören braucht Geduld und Interesse an dramaturgischen Effekten, denn thematische Auswüchse werden hier kaum geboten. Umso dankbarer ist man dann für die zurückkehrenden melodiöseren Ansätze in Dream Crusher, A Cry for Help, A Long Road Back und How Much They Miss Her.
Der Film wartet mit einem finalen Boxkampf auf, der natürlich auch aus musikalischer Sicht etwas kraftvoller angegangen wird. Das Stück Hope vs Escobar fällt denn auch besonders auf und durchläuft zahlreiche verschiedene Phasen: zu Beginn anstachelnde Aggression, gefolgt von markanten Blecheinsätzen und einem doch recht triumphalen Ende – nicht à la Karate Kid(2010) triumphal, sondern verglichen mit den vorangegangenen Minuten. In diesem Stück fallen denn auch die Dark Knight-Anleihen auf (das Blechspiel ab der 4. Spielminute) – etwas merkwürdig.
Fazit: Southpaw wird als Filmmusik kaum hohe Wellen schlagen. Hierfür ist die Musik zu kühl, zu anonym. Mit den Bildern wird sie wohl perfekt harmonieren, doch als reines Hörerlebnis dürfte sie ungeduldige Hörer „verlieren“. Im Horner-Oeuvre spielt sie als diversifizierendes Element jedoch eine sehr schöne Rolle und kann hierfür sehr geschätzt werden. Doch wer auf Hörgenuss aus ist, der wird sich anderen Horner-Arbeiten bedienen. Die tragischen Begleitumstände dieser Filmmusik werden dem Album jedoch auf immer und ewig einen ganz speziellen Platz in der Horner-Sammlung und in jedem Horner-Fanherzen bescheren.
SOUTHPAW James Horner Sony Classical 52:05 / 14 Tracks
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