Es war Frühling und das Kino in Biel war nicht nur halb leer, nein, nur gute 10, 12 Nasen verirrten sich in das altehrwürdige Lichtspielhaus mit seinem Parterre und dem grossen Balkon. Massig Platz für die langen Beine der normal grossen Mitmenschen und ohne Ellbogen der Nachbarn, die einem die Lehne streitig machten. Leere Kinos haben schon was für sich, nebst dem Gedankenschreckgespenst wie lange es denn so noch mit Stadtkinos wird weitergehen können? Doch was Disney den alteingesessenen STAR WARS Fans mit dem lausigen THE LAST JEDI angetan hat, liess sich beim zweiten und bis auf weiteres letzten «Solo-Projekt» nach dem tollen ROGUE ONE bei den Zuschauerzahlen ablesen: Fast keiner will SOLO sehen. Das und jedes Jahr ein neues Krieg der Sterne-Abenteuer, der Overkill? Schaut man sich hingegen an wie viele Superheldenfilme (und wie lange das bereits anhält) nach wie vor von der Spitze der Kino- und Verkaufscharts grüssen, ist letztere Theorie fragwürdig.
Dabei ist SOLO ein wahrlich kurzweiliges Vergnügen, flott gemacht und das obwohl wie schon bei ROGUE ONE die Filmemacher, in diesem Falle das Team Phil Lord und Christopher Miller, (21 JUMP STREET und THE LEGO MOVIE, wahrlich Auszeichnungen, die zu einem STAR WARS Film befähigen, oder nicht?), wegen «kreativer Differenzen» gefeuert wurden. Beiden Filmen hat das aber keineswegs geschadet, im Gegenteil, fast ist man versucht davon zu träumen, was aus THE LAST JEDI hätte werden können, wenn… Fahrradkette.
Ron Howard (COCOON, APOLLO 13) setzte sich kurzerhand auf den Regiestuhl, nahm Hauptdarsteller Alden Ehrenreich unter seine Fittiche und liess mit den Kasdans in die Vorgeschichte einer der ikonischsten Figuren der Star Wars Reihe blicken. Han Solo. Welch ein tonnenschweres Erbe Ehrenreich anzutreten hatte, kann man bestens erahnen. Bei manch einem hätte es nicht geklappt, aber Ehrenreich schafft es dem jungen Solo viel davon einzuverleiben, was wir später von Harrison Ford zu sehen bekamen. Die Mimik, die Gestik, der Finger, der Heisssporn. Ja, sicher, nicht immer ist alles geglückt, etwa wie Han zu seinem Namen kam (auch der ein oder andere Figurennamen wie Lady Proxima oder Moloch, meine lieben Autoren!) und gerne hätten wir gesehen wie Han Solo es sich auf der Akademie mit dem Imperium verscherzt hat (immerhin bieten die deleted scenes auf der Blu-ray dazu kurze Einblicke). Doch die Begegnungen mit anderen wohlbekannten Charakteren, Chewie und Lando, sind umso gelungener ausgefallen. Vor allem Donald Glover als Lando Calrissian ist ein echter scene stealer und Jonathan und Lawrence Kasdan vergaben ihm einige der besten Dialoge und Momente (der Anblick als Lando seinen geschrotteten Falcon sieht, ist umwerfend!).
Auch Emilia Clarke (GAME OF THRONES) als Hans Jugendliebe Qi’ra und Woody Harrelson (TRUE DETECTIVE) als undurchsichtiger Ganove Beckett wissen zu gefallen, während Paul Bettany, den ich kürzlich im hervorragenden Antikriegsfilm JOURNEY’S END gesehen habe, die kleinere Rolle des Oberbösewichts zugesprochen bekam. SOLO funktioniert in vielen Belangen besser als viele es erwartet hätten – und wenn selbst ein gestandener Harrison Ford/Solo-Fan wie Steve nicht mit den Augen rollte, ist das in der Tat kein schlechtes Zeichen. Zumal man SOLO gar ein Tentakel behaftetes Weltraumungeheuer, eines mehr dieser Sorte, und das heutzutage gewohnt wilde Intro locker verzeiht. Dazu ein richtig tolles, völlig unerwartetes Ende, das hier nicht verraten werden soll, das zwar durchaus nicht für jedermann einfach nachzuvollziehen sein dürfte, so man weder Comics noch die vier Staffeln andauernde REBELS Zeichentrickserie kennt.
SOLO ist wie erwähnt das Geld mehr als wert. Auch wenn Disney angesichts des Einspielergebnisses von «nur» 400 Mio. $ weltweit bereits über die Bücher gegangen ist und spin-offs wie BOBA FETT etc. für den Moment gestrichen hat. Wir werden sehen wie lange. Disney plant jedenfalls nun eine reale TV-Serie, die scheinbar während ROGUE ONE spielen soll. Vormals nur für deren Streamingkunden natürlich.
Zur Musik habe ich meine Meinung bereits in einer Rezi Kund getan. Auch wenn er bei zweitmaligem Film gucken bereits ein wenig Angewöhnungsbonus hat, so ist John Powells Score trotzdem nicht eine das grosse Ereignis in SOLO und nach wie vor keine CD, die regelmässig den Abspieler besucht hat. Wie spannend wäre es gewesen zu hören was ein Giacchino oder einer der gestandenen Veteranen wie Silvestri oder jetzt wird’s ganz wild, ein Marco Beltrami oder gar ein «Outsider» wie Velázques hier hingelegt hätten?
Phil, 11.11.2018
SOLO Regie: Ron Howard Darsteller: Alden Ehrenreich, Emilia Clarke, Donald Glover, Woody Harrelson, Paul Bettany Musik: John Powell Verleih: Disney Veröffentlichungsdatum: 25.9.2018