Small Vices

40 Romane schrieb Robert B. Parker über den Bostoner Privatdetektiv Spenser. Es gab im Lauf der Zeit Adaptionen für Film und Fernsehen, am bekanntesten dürfte die TV-Serie SPENCER: FOR HIRE aus den 1980er-Jahren mit Robert Urich in der Titelrolle sein, die dem Autoren jedoch missfiel. Um den Jahrtausendwechsel wurden fünf Fernsehfilme mit Joe Mantegna als Spenser geplant, wovon schliesslich nur drei realisiert wurden, zwei davon mit Musik von David Shire.

Den Beginn machte SPENCER: SMALL VICES (1999), der es Shire erlaubte, zu seinen musikalischen Wurzeln im Jazz zurückzukehren. Combos in verschiedener Stärke (die Akustik-Gitarre ist hervorzuheben) dürfen sich im Retro-Stil präsentieren, mit einem coolen, gut abgemessenen, das Private-Eye-Ambiente heraufbeschwörende Hauptthema, Klängen, die an Schifrins BULLITT erinnern oder auch gerne im Blues unterwegs sind. Gelegentlich mischt sich nahtlos Dramatik und Melancholie in kontemporärer, sinfonischer Form darunter. Als Zugeständnis an den Zeitgeist kommen dezent Synthesizers und Drum-Kit zum Einsatz. Insgesamt handelt es sich hier um eine ausgezeichnete Neo-Noir-Musik.

Die 1996 erschienene Neil-Simon-Komödie JAKE’S WOMEN mit Alan Alda und Anne Archer wird mit vier Tracks bedacht. Jazz mit Klarinette und Gitarre im Mittelpunkt, mal beschwingt, mal nachdenklich, lassen das Muster dieses unterhaltsamen Scores erkennen. Ebenfalls von Neil Simon stammt das Comedy-Drama BROADWAY BOUND von 1992 mit Anne Bancroft und Hume Cronyn, wo Shire sowohl zu dezentem als auch swingendem Jazz greift. Wiederum tun sich vor allem Klarinette und Gitarre hervor. Ansonsten wählt Shire hauptsächlich einen klassischen Ansatz, und man verspürt nächtliche Stimmungen in einer Art, wie sie auch bei Elmer Bernstein in den frühen 1960er-Jahren zu vernehmen waren.

TEXAN (1994), geschrieben von David Mamet und gedreht von Treat Williams ist Teil einer Kurzfilm-Anthologie, die von Schauspielern im Regiestuhl geschaffen wurde. Musikalischerseits übernimmt einmal mehr zunächst der Jazz die Regie, diesmal im schwül-erotischen Film-Noir-Bereich. Allmählich übernehmen Suspense-Klavier, Streicher und Elektronik, letztere sorgt für ein hymnen-artiges Finale.

Diese CD unterstreicht die Vielseitigkeit von David Shire, die auch in den 1990er-Jahren und für kleinere Projekte alles andere als erschöpft war. Daraus ergibt sich ein weitere, höchst willkommene Shire-Veröffentlichung von Caldera. Produziert wurde das Album wie immer von Stephan Eicke und David Shire, der auch für die Musik-Auswahl zuständig war.

Andi  |  01.10.2024

SMALL VICES / JAKE'S WOMEN / BROADWAY BOUND / TEXAN
David Shire
Caldera Records C6056
54 Min. | 26 Tracks