11 Jahre nach BEETLEJUICE (1988) waren Tim Burton und Danny Elfman nach wie vor eine der zuverlässigsten und aufregendsten Regie-Filmmusik-Paarung in der Film- und Soundtrackwelt. Mit SLEEPY HOLLOW (1999) erreichten sie nach den weniger erfolgreichen ED WOOD (1994) und MARS ATTACKS! (1996) erneut ein grosses Publikum, das sich mehrheitlich vom Film begeistert zeigte. In dem 1799 spielenden Gothic-Abenteuer über eine Reihe mysteriöser Morde in dem Örtchen Sleepy Hollow und einen nicht weniger geheimnisumwobenen, kopflosen und Axt schwingenden Reiter, vermischt Burton wirksam Horror, eine gut dosiert Prise Steampunk, Kriminalfilm und seinen unverkennbaren Humor. Johnny Depp, Christina Ricci, Miranda Richardson, Michael Gambon, Ian McDiarmid, Christopher Walken aber auch, in kleinen Rollen, Christopher Lee und Martin Landau geben sich ein Stelldichein in diesem düster dreinblickenden, mit tollen Bauten ausgestatteten Film. Für letztere Leistung gab es einen Oscar.
Die mit 68 Minuten bereits üppig bemessene CD, die damals zum Film erschien, etablierte sich mitunter zu einem Fanfavoriten. Intrada hat es sich 22 Jahre danach dennoch nicht nehmen lassen, noch einen draufzusetzen und den Score in seiner 94 Minuten Gesamtdauer auf den CDs zwei und drei zu präsentieren, während CD 1 nochmals das alte Soundtrackalbum und CD drei und vier satte 97 Minuten Alternates, Original und Revised Cues zeigen. Das sind also gesamthaft über vier Stunden Musik. Hier, auch als Elfman-Fan, von einem leichten Overkill zu sprechen, ist wohl nicht ganz von der Hand zu weisen. Die Musik muss einem schon besonders gut gefallen, wenn man sich der gesamten Präsentation wiederholt hingeben will.
In den USA wird der Ausdruck Gothic gerne und oft dafür verwendet, wenn Film oder Literatur sich in düster finsterer, manchmal makabrer Art mit Tod, Horror, aber auch einem speziellen Stil was Bauten und Ausstattung im Allgemeinen, beschäftigt. Mit der Gothik freilich, so wie wir Europäer sie kennen, hat dies nichts zu tun. So wurde etwa Tim Burtons BATMAN (1989) aber auch Elfmans Score zum Superheldenfilm als «gothic» beschrieben, bekannte weitere Beispiele sind INTERVIEW WITH THE VAMPIRE (1994), FROM HELL (2001) und eben SLEEPY HOLLOW.
Eine Besonderheit des Scores ist die Besetzung, die Elfman auffährt. Grosses Orchester, aber mit viel Instrumentarium im tiefen Register, Männerstimmen und Knabenchor, Orgel, geschäftige Holzbläser, dominantes Blech und viel Bauch bei den Streichern.
Auffallend in SLEEPY HOLLOW ist das omnipräsente Hauptthema, das der Johnny Depp-Charakter Ichabod Crane interessanterweise mit dem kopflosen Reiter teilt. Eine Bauchentscheidung, wie Elfman in den Liner Notes von Tim Grieving bestätigt. Dieses Thema klingt schwelgerisch, wenn Elfman es wie ein Love Theme einsetzt und verwendet, es erscheint düster und grundböse in Zusammenhang mit dem Reiter, verspielt im pizzicato der Streicher und den Klängen der Harfe, mysteriös verwoben, aber auch sentimental und verführerisch, wenn vom Knabenchor gesungen. Es kommt immer auf die Temperierung an, in die Elfman das Thema steckt. So ist es denn auch durchaus spannend, diese Veränderungen bei genauerem Hinhören zu verfolgen. Aufmerksamkeit ist ohnehin bei SLEEPY HOLLOW gefordert, sonst gehen viele Details verloren und man ist zu schnell versucht, den Score als one-themer abzutun (nebst dem Hauptthema sind kleinere, deutlich weniger verwendete Motive zu hören). SLEEPY HOLLOW ist, drehen wir die Zeit zurück, immer noch Danny Elfman pur. Die verspielten, interagierenden Orchestrationen, die verträumte und gediegene «old fashioned» Art der Musik, die, so scheint es, heutzutage in dieser opulenten Weise kaum mehr oder mit deutlichen Abstrichen möglich ist. Wirklich fordernd und fast akademisch wird es, wenn man beginnt und versucht ist, die Variationen und Änderungen in der Extrasektion zu verfolgen. Das erfordert eindeutig Sitzfleisch und vor allem sauber gespitzte Ohren. Ich gebe es zu, mir ist es schliesslich doch einen Happen zu viel des Guten und ich beschränke mich beim wiederholten Hören auf den Score von CD 2 und 3 – dessen knackiger Sound bei zünftigem Aufdrehen des Volumenreglers besonders gut rüberkommt.
Phil 05.11.2021
SLEEPY HOLLOW
Danny Elfman
Intrada Special Collection
4 CDs
259 Minuten
70 Tracks