The Sixth Sense

Review aus The Film Music Journal No. 20, 1999

Nach dem tollen Score zum Kevin Costner Flop THE POSTMAN (1997) hat man von James Newton Howard im «ernsthaften» Fach eine Zeit lang wenig gehört. Es folgten mehrere Arbeiten im Komödien- und Romantikgenre, nicht gerade eines jeden favorisierte Sektoren der Filmmusik. Umso eindrücklicher fällt die Rückkehr in bedrückend düstere Gefilde mit THE SIXTH SENSE (1999) aus, ein Film, der M. Night Shyamalan (WIDE AWAKE, 1999) an die ganz vorderen Positionen der Filmhitparaden und in jedermanns Munde katapultierte. Bruce Willis, der begabte Haley Joel Osment und die Australierin Toni Colette sind in dieser gespenstischen Geschichte zu sehen, in der der kleine Cole verstorbene Menschen sieht und beim Therapeuten Malcolm Crowe Hilfe sucht.

Howards Score ist eher ein leiser Vertreter seiner selbst und so ganz anders als seine Musiken zu Epen wie WATERWORLD (1995) oder eben THE POSTMAN. Howard setzt auf Zurückhaltung und weniger überschwängliche Dramatik, was SIXTH SENSE zwar sympathisch, aber etwas unzugänglicher macht. In den auf Übersinnlichkeit und Suspense getrimmten Passagen ist Howards Handschrift nach wie vor erkennbar, aber weniger prägnant. So sind sie am ehesten mit Stellen aus OUTBREAK (1995) oder A PERFECT MURDER (1998) komparabel. In Tracks wie «Hanging Ghosts» oder «Malcolm’s Story/Cole’s Secret» vertraut Howard zwar auf seine handschriftlichen Streicherarrangements mit solistischen Einlagen der Holzbläser, nicht aber ohne, dass diese sogleich wieder von bedrückenden Dissonanzen abgelöst zu werden.

THE SIXTH SENSE baut nicht auf ein zentrales, musikalisches Thema – das auftauchende Klaviermotiv ist vielleicht als selbiges zu bezeichnen – sondern setzt eher auf die geschaffene Stimmung, eine Art Unwohlsein, die immer wieder von kurzen Momenten des Loslassens unterbrochen wird. Das entstandene Auf und Ab verheisst zwar Abwechslung, doch scheint gerade das Unstete der Komposition beinahe inkonsequent und doch für den Score wichtig. Dort wo zum Beispiel ein Howard Shore noch tiefer bis ins Fleisch eindringt, stoppt Howard und dreht ab. Auch deshalb ist bei meiner Wertung ein Pendeln zwischen beeindruckend und gefällig vorhanden, nicht zuletzt, wenn gegen Ende der CD ein spirituell aufgemachter, tiefer Chorgesang, zwar dezent, aber doch vernehmbar, einzusetzen beginnt, der die Partitur beinahe in eine andere Richtung fahren lässt.

THE SIXTH SENSE war der Beginn einer längeren Zusammenarbeit zwischen Regisseur und Komponist, der zu UNBREAKABLE (2000), SIGNS (2002), THE VILLAGE (2004) und THE LADY IN THE WATER (2006) führte.

Phil, 1999

 

THE SIXTH SENSE

James Newton Howard

Varèse Sarabande

30:21 Min.
11 Tracks