Shergar

Review aus The Film Music Journal No. 25, 2001

Tierarzt Dr. John Scott ist mal wieder im Einsatz, um mit handwerklich solider Sinfonik im alten Stil einen unbekannten kleinen Film vor dem Vergessen zu retten. Nach KING OF THE WIND (1990), FAR FROM HOME (1995) und THE SECOND JUNGLE BOOK (1997) ist SHERGAR nun schon mindestens der vierte Tier-Abenteuerfilm, den Scott zu verarzten hat, wobei es diesmal um ein berühmtes Rennpferd gleichen Namens geht, das von der IRA nach Irland verschleppt wird, um ein möglichst hohes Lösegeld für seine Freilassung einzufordern, und dort Hilfe von einem kleinen Jungen erhält, der sich in altbekannter Manier mit dem Tier anfreundet.

Die mit den Münchner Sinfonikern eingespielte Musik zu diesem bereits 1998 entstandenen B-Film, immerhin mit Mickey Rourke, David Warner und lan Holm noch halbwegs akzeptabel besetzt, hat Scott wie gewohnt auf seinem eigenen JOS-Label herausgebracht. Bekanntermaßen zählt Scott heute zu den wenigen noch aktiven Komponisten von altem Schrot und Korn, der seine Filmmusiken mit durchdachter motivisch-thematischer Arbeit würzt und daneben ein geschicktes Händchen für einprägsame und zupackende Melodien besitzt. Vor allem im lyrisch breit sich ausschwingenden Hauptthema, das in wechselnder Instrumentierung an mehreren Stellen des Scores wiederauftaucht, am schönsten vielleicht in den üppig vitalen «End Credits», weiß Scott voll und ganz zu überzeugen. Hier gelingt ihm mit Hilfe satter Streicherbögen, dem Einsatz einer lieblichen Oboe oder mit markigen Hörnern ein bezaubernder melodischer und gefühlvoller Ohrwurm, den man gerne mehrmals über sich ergehen läßt und der wieder auf eindrucksvolle Weise die meisterliche Fähigkeit des Komponisten unterstreicht, wunderbare akustische Natur- und Landschaltbilder vor dem geistigen Auge des Hörers erstehen zu lassen.

Etwas schwächer wird die Partitur, wenn mit ruppigen Mitteln wie Blechtremoli, flirrenden Streichern nebst ostinatem Schlagzeug und Bässen in einigen Tracks bleierne Spannung erzeugt werden soll. Hier wäre an erster Stelle der Track «Abduction» zu nennen, der mit über sechs Minuten eindeutig zu lang geraten ist. Hält sich das Orchester in der ersten Hälfte noch sehr im Zaum und überwiegend manchmal eher dunkler gestimmte Klangfarben, so prescht es im zweiten Teil in voller Formation energiegeladen und heroisch nach vorne. Vornehmlich in jenen Stücken, die Pferderennen und Verfolgungsjagden musikalisch beschreiben. Interessant zu vermerken ist dabei, daß gerade in den feurig-dynamischen Stücken «Milltown Race» und «Shergar-End Credits» die Rhythmusbegleitung sehr nah an Vangelis› Thema aus CHARIOTS OF FIRE (1981) dran ist – mit dem Unterschied eben, daß bei Scott auf den Vangelis-Synthesizer voll und ganz verzichtet wird.

Wer ein Faible für melodisch zündende Abenteuermusik hat, der sollte trotz kleinerer Niveauabfälle, die aber bei einer Laufzeit von fast 60 Minuten nicht übermäßig ins Gewicht fallen (62:08, wie auf der Cover-Rückseite angegeben, greift um etwa fünf Minuten daneben), bei dieser CD ohne weiteres zugreifen. Eine Schande für die Filmindustrie ist es indes, daß ein talentierter Komponist wie Scott sich mit zweit- und drittklassigem Kleinkram abgeben muß, während Filme der A-Klasse in Hollywood oft von klimpernden Allerweltsmusikern zugekleistert werden dürfen.

Stefan  |  2001

SHERGAR

John Scott

JOS

57:22 | 22 Tracks