Ja, es gibt sie noch, die Goldsmith-Scores, die noch nicht veröffentlicht wurden. Intrada hat dieser Tage gerade zwei davon im Programm. Den unveröffentlichten bzw. durch eine Musik von Mark Isham ersetzten THE PUBLIC EYE (1992) und den mit nicht mal 30 Minuten äusserst kurz gehaltenen SHAMUS (1973). Burt Reynolds spielt in diesem Film von Buzz Kulik (WARNING SHOT, 1967, ebenfalls mit einer Komposition von Jerry Goldsmith, der zwei weitere Filme des Regisseurs vertonte: CRAWLSPACE, 1972 und BABE, 1975 – für letzteren gewann er den Emmy) den Privatdetektiven McCoy, dem 10’000$ geboten werden, um geklaute Diamanten im Wert von mehreren Millionen $ ausfindig zu machen und deren Dieb kurz nach der Tat ermordet aufgefunden wird. McCoy nimmt den Auftrag gerne an, denn allzu heiss läuft sein Detektei-Geschäft im Gegensatz zu seinem Privatleben nicht.
Eigentlich geschrieben, um in den 1940er Jahren zu spielen, bestand Produzent Robert Weitman darauf, die Story in die 70er zu verlegen. Obwohl kein Riesenhit beim Publikum und nicht gerade ein Knaller bei der Kritik, folgte dem Kinofilm der Versuch eine TV-Serie zu produzieren. Es blieb aber beim Piloten – ohne Burt Reynolds notabene, der in den 70ern zum Superstar avancierte und vielen Filmen seinen Stempel aufdrückte.
Eines selbst für Fans des Komponisten unbekanntes Werk ist Goldsmiths Score für SHAMUS. Das liegt einerseits daran, dass der Film bei uns für kaum Aufsehen sorgte und vielen heute völlig unbekannt ist, andererseits gehört er zu den inzwischen noch wenigen übriggebliebenen Scores von Goldsmith, die nie eine Albumveröffentlichung erfuhren. So war die Überraschung doch gross als Intrada SHAMUS ankündigte. Knapp 26 Minuten Musik schrieb Goldsmith für diesen Thriller mit diesem unvergleichlichen Burt Reynolds Touch – und als ein wenig augenzwinkernd könnte man sicher auch die Musik bezeichnen, die einen Mix aus Jazz, ein bisschen Funk, leichtfüssigen Komödienelementen und ernsthafteren Actiontracks bietet. Weltbewegend ist SHAMUS nicht, den Goldsmith für kleines Streicher-Ensemble, Harfe, Schlagzeug, Perkussion, Klavier, Moog-Synthesizer, Gitarre und E-Bass schrieb, aber spassig und kurzweilig allemal.
Nach der Titelmusik («Main Title») mit dem Hauptthema für Moogsynthie, Organ und Klavier, dazu E-Gitarre, Drums, Bongos – man achte auf die Triangel, die Goldsmith etwas mehr als zwei Jahrzehnte später in BAD GIRLS (1994) wiederum prominent einsetzen würde – ist McCoys Thema in den kurzen «A Real Dog No. 1» und dem äusserst ähnlich klingenden «A Real Dog No. 2» zu hören. Dezenter taucht das Thema in «Getting Acquainted» auf, quasi als Liebesthema und ein bisschen verführerischer funktionierend. McCoys Thema ist also äusserst präsent, nur in wenigen Tracks wie etwa «Surprise Visit» schafft Goldsmith Platz für ein neues Motiv, hält dieses jedoch im nun bekannten McCoy-Kleid. Gelungen angerichtet taucht das Hauptthema in Fragmenten im zunächst temporeicher beginnenden «The Warehouse» auf. Höhepunkte des Scores sind zwar auch, aber nicht nur die Actionstücke wie «A Broken Limb» oder «Here I Come – Part I» und «Part II». Es ist das besondere Flair von SHAMUS, das den Score durchaus eigen und überraschend erscheinen lässt, wenn auch Goldsmith-Kenner Elemente aus anderen Musiken heraushören werden, ohne diese platt auf die Nase gedrückt zu bekommen.
Und so verbleiben nicht mehr allzu viele Scores eines der Grossmeister der Filmmusik, die noch zu veröffentlichen wären, aber inzwischen hat Intrada, wie eingangs erwähnt bereits auch Zugang zu Goldsmiths THE PUBLIC-EYE (1992, mit Joe Pesci) gefunden, auf die wir sicher gespannt sein dürfen.
Phil, 26.6.2021
SHAMUS
Jerry Goldsmith
Intrada
26 Min.
11 Tracks