Safe House

Kevin Kiner hat sich überwiegend für seine Kompositionen im STAR WARS-Universum einen Namen gemacht. Von STAR WARS: THE CLONE WARS (2008 – 2020), ASHOKA (2023) bis STAR WARS: THE BAD BATCH (2021 – 2024) und weitere wie STAR WARS: TALES OF THE EMPIRE (2024), aber auch für das Konkurrenzprodukt STAR TREK (11 Episoden bei ENTERPRISE, 2004 – 2005) tätig. Ja und dann ist das noch ein anderes «Star»-Vehikel: STARGATE SG-1, hier hat er 18 Episoden gescored.

Kiner begann Mitte der 80er Jahre mit TV-Musik, seine frühen Werke für das Kino oder direct-to-video sind LEPRECHAUN (1993) und FREAKED (1993) sowie B-Pictures wie SAVATE (1995) und BLACK SCORPION (1995). 1999 bat David Arnold Kevin Kiner um Hilfe bei WING COMMANDER, beide kannten sich seit Mitte der 90er Jahren. Weitere Titel in Kiners Oeuvre sind PEACEMAKER (2022), TITANS (2018 – 2023) und DOOM PATROL (2019 – 2023) oder zum Beispiel WALKER, TEXAS RANGER (40 Episoden) u.v.a.

SAFE HOUSE (1998) ist ein Thriller mit Patrick Stewart, Richard Livingston und Hector Alizondo. Eric Steven Stahl hatte bereits die Zusage von Jerry Goldsmith, doch das Studio legt wegen «Verlagsrechten» sein Veto ein (denkbar dürfte allerdings auch sein, dass Goldsmith ein ganz anderes Musikbudget einforderte). Der Regisseur hörte ein Tape von Kevin Kiner und war begeistert. Kiner selbst übrigens sagt, er habe nicht gewusst, dass beinahe Goldsmith engagiert worden sei, sonst hätte er wohl und schliesslich eine andere Musik komponiert und sich davon beeinflussen lassen.
Stewart spielt einen Agenten (Sowell) des Verteidigungsministeriums im Ruhestand, der glaubt brisante Informationen zu besitzen, die einen Running-for-President Kandidaten schwer schädigen könnte und deshalb um sein Leben fürchtet. Dazu kommt Sowells beginnende Alzheimer-Erkrankung und damit die Problematik, andere Personen wirklich von der Gefahr, die ihn umgibt, zu überzeugen.

Im Booklet (vier Seiten, wie üblich beim Label…) gibt Kiner an, der Film sei klaustrophobisch und finde eigentlich nur im Hause Sowells statt. Anstatt viel Action bestehe SAFE HOUSE aus Spannung und Intensivität. Das sei herausfordernd gewesen.

Kiners Score ist orchestral, damals tatsächlich in Kiners Haus aufgenommen. Aus Budgetgründen wurden die Musiker in kleinen Gruppen versammelt und per Overdubs erweitert und zusammengefasst (und somit grösser klingend als es die Besetzung wohl war).

Beginnend mit einem einnehmenden, pulsierenden «Main Title» für Streicher, Blechbläser, Klavier, Perkussion legt Kiner den Grundstein für SAFE HOUSE, desöfteren im 70 minütigen Score zu hören (Solo-Trompete, Streicher). Sowells Welt (und die, die vielleicht nur in seinem Kopf spielt?) gibt Kiner in spannungsvoll lebhaften Tracks mit Blech und Klavier wieder, aber auch ein Liebesthema hält Einzug: «Sad Love Theme» für Klavier und Streichern und variiert in der Instrumentation später im Score. Etwas Augenzwinkern hält Kiner im Bassklarinette/Klarinetten Duett «Costume», aber auch im «Elfmanisch» daherkommenden «Target Practice» und dem melancholisch beginnenden «Closet/Throws Away Pills/Grabs Food Tray» bereit. Diese Tracks bilden aber eher die Ausnahme in einer mitunter auch noir’isch anmutenden (gestopfte Trompete etwa, Verwendung des Liebesthemas), oft von Spannung dominierten Filmmusik.

Hie und da setzt Kiner elektronische Zusätze (die Zimmer/Mancini Drums scheinen jedenfalls aus dieser Ecke zu stammen) in seinen Suspensetracks bei. Das Augenzwinkern kehrt in «Sad with Admiral/Playing Chess» zurück. Pochender 90s Stil vermischt mit clever geschriebenen, lebhaften Streichern und Blechbläsern ist in «Can’t do Code» zu vernehmen.
Nach den «End Credits» (die drei letzten Track dauern zusammen rund 15 Minuten) hat es sich das Label nicht nehmen lassen fünf source cues anzuhängen – darauf hätte man verzichten können.
Insgesamt ist SAFE HOUSE ein gut gemachter, stimmungsvoller und abwechslungsreicher Thrillerscore eines nach wie vor unterschätzten Komponisten.

Dragon’s Domain fährt (natürlich) weiter mit Scores von Komponisten, die nicht die erste Geige spielen (oder gespielt haben) und bringt deren Scores dem Filmmusikpublikum, nicht nur der Generation zwischen 45 und 60, näher.

Phil  |  18.09.2024

SAFE HOUSE
Kevin Kiner
Dragon’s Domain
70:08 | 23 Tracks
Limited Edition