The Return of Dracula / I Bury the Living

Review aus The Film Music Journal No. 17/18, 1999

Lukas Kendalls Serie mit limitierten Veröffentlichungen unternimmt mit diesem vierten Teil einen wichtigen Schritt, weil sie sich nicht länger nur mit den berühmtesten Vertretern der Zunft befaßt, sondern -und das ist für das Renommee der Reihe von großer Bedeutung – auch in der Breite nach publikationswürdigen Soundtracks Ausschau hält. Man kann sich zwar vorstellen, daß die auf Goldsmith & Co. fixierten Sammler zu nörgeln anfangen, doch darauf ist nichts zu geben.

Vier ziemlich vollständige Partituren des Amerikaners Gerald Fried sind hier versammelt, komponiert in den späten Fünfzigern und frühen Sechzigern, und zwar allesamt für recht obskure B-Filme aus dem Gruselgenre. Wer Laserdiscs hortet, konnte zwei der Kompositionen – THE RETURN OF DRACULA und I BURY THE LIVING – bereits auf einer isolierten Musikspur kennenlernen, und zwar als Teil der mit vier Filmen bestückten Box United Artists Horror Classics. Darin erweist sich I BURY THE LIVING als wirklich schräges Meisterwerk: ein Mann bewacht in einem Friedhofswärterhaus die große Karte, auf der alle Gräber eingezeichnet sind. Weiße und schwarze Nadeln bezeichnen besetzte bzw. vorbestellte Gräber. Als der Held versehentlich zwei Nadeln vertauscht, stirbt die betreffende Person in der nächsten Nacht. Das tritt eine Lawine Ios -bis zum Finale, als der Prozeß einmal umgekehrt wird. Fried nahm hier das Cembalo hinzu und begann ein geschicktes Spiel mit dessen silbriger Klangfarbe, von Ronald Stein wenige Jahre später für DEMENTIA 13 wiederholt. Leider weiß ich nicht, wie der hierzulande über die Worte «Theo, spann› den Wagen an, denn der Wind treibt Regen über’s Land» gesungene Kanon in den USA getextet wird: seine essentielle Bedeutung innerhalb des Scores blieb mir daher unerschlossen; er tönt aber um so bizarrer.

THE CABINET OF CALIGARI ist ein sehr freies Remake des expressionistischen Klassikers von 1920 und selbst in den USA eine Rarität. Außerdem gibt es noch gut 20 Minuten aus MARK OF THE VAMPIRE. Gerald Fried als herausragenden Komponisten zu bezeichnen, führte zu weit. Im Filmzusammenhang sind seine kontrapunktisch versierten Scores freilich sehr wirkungsvoll, speziell in THE RETURN OF DRACULA, einer ziemlich dämlichen, in der 50er Jahre-Gegenwart spielenden US-Variante des Stoffes. Fried hat das Dies irae auf markante Weise zur zentralen Idee ernannt und in vielen Abschnitten als teils melodisch symbolbeladenes, teils rhythmisch vorantreibendes Element eingesetzt.

Die ohne jeden Nachhall aufgenommenen Orchester der Billigproduktionen spielen recht ordentlich, und Fried hat nach eigenem Ermessen keinen Schönklang gewünscht. Lukas Kendalls Booklettext vergaloppiert sich allerdings mit der Behauptung, Fried habe sich von Hans J. Salters 50er Jahre-Horrormusik abgesetzt. Die entstand nämlich bereits zwischen 1939 und 1946, den Universal-Stil der Fünfziger haben im Wesentlichen andere Komponisten geprägt. Überdies setzt Fried auch nicht wesentlich modernere Mittel ein, und hinsichtlich der Effektivität ihrer Musik haben beide trotz unterschiedlicher Tonsprachen eine Menge gemeinsam. Persönlich ziehe ich Salter vor.

Exzellent betreute, der Aufmerksamkeit werte Präsentation auf Doppel-CD mit informativem, 24-seitigen Booklet, für das sich vier verschiedene Autoren zusammengefunden haben.

Matthias  |  1999

Musikalische Qualität
Editorischer Wert
THE RETURN OF DRACULA / I BURY THE LIVING / MARK OF VAMPIRE

Gerald Fried

Film Score Monthly

133:36 | 27 Tracks