Review aus The Film Music Journal No. 22/23, 2000
Es ist erst Coriglianos dritter Soundtrack nach seinem Kracher ALTERED STATES (Der Höllentrip, 1980) und REVOLUTION (1985) und schon heimst er einen Oscar ein. Verdientermaßen noch dazu, denn THE RED VIOLIN ist etwas ganz Besonderes in jeder Hinsicht. Selten erlebt man eine solch intensive Symbiose zwischen Film und Score. Wie viel Respekt und Wertschätzung der Originalkomposition seitens der Verantwortlichen in diesem Fall entgegengebracht wurde, ist beispielhaft und viel zu selten.
Die Hauptrolle des Films spielt das namensgebende Instrument, was der Grund für die erwähnte Symbiose ist. Dieser Violine ist fest und unverrückbar das Hauptthema zugeordnet, wovon große Teile des Scores getragen werden. Immer wieder taucht es auf, deutlich im Vordergrund oder als Variation eher bedeckt. Auch für dieses intensiv genutzte Hauptthema gibt es einen Grund: ein berühmter Geigenbauer ist dabei, sein Meisterwerk zu vollenden, die perfekte Violine, als seine Frau im Kindbett stirbt. Aus tiefster Trauer mischt er ihr Blut in den Lack der Violine (daher die Farbe), wodurch sich eine latent magische Beziehung zwischen der Violine und der toten Frau aufzubauen scheint. Denn wer immer das Instrument in den folgenden Jahrhunderten in die Hand nimmt, dem wird Unglück zuteil und spielt unweigerlich dieses Thema, welches nämlich von der Frau vor ihrem Tod des Öfteren gesummt wurde. Bei diesem Motiv handelt es sich um ein Thema voller Leidenschaft und Tragik. Da es allerdings recht komplex trotz seiner Kürze ist, braucht man eine Weile, bis man es mitsummen kann.
Natürlich steht bei diesem Stoff die Violine im Arrangement die ganze Zeit im Vordergrund. Das Orchester, dirigiert von Esa-Pekka Salonen, kommt eher dann zum Tragen, wenn es um das Underscoring, also die musikalische Untermalung der Handlung, geht. Diese orientiert sich etwas mehr am Zeit- und Lokalkolorit der einzelnen Episoden, löst sich also etwas vom Hauptthema und ist größtenteils getragen, melodisch und bedrückend. Andere Stücke hingegen, welche im Film als Konzertstücke gespielt werden, sind recht komplex und schwer. Hier kann der Solist Joshua Bell glänzen, der die Violine mit einer enormen Virtuosität beherrscht und so seinen Teil zur Magie der roten Violine beisteuert.
Einzig störend im Fluß der CD ist „People’s Revolution“ (Track 15), in dem ein chinesischer Kinderchor ein Lied getreu dem Motto „Nicht schön, aber laut“ singt. Beschlossen wird das Album von einer über 17-minütigen Konzertsuite, die es in sich hat. Hier kann das Orchester bei all der Dramatik erstmals richtig aufspielen. Diese Suite enthält musikalische Elemente, die keinen Einzug in den Film fanden.
THE RED VIOLIN ist ein wirklicher Geheimtipp und eine lohnende Anschaffung für jeden, der Violinen mag und der die Geduld hat, sich mit dieser Musik etwas intensiver zu beschäftigen und sie auf sich wirken zu lassen. Denn Corigliano hat seinem ALTERED STATES einen weiteren Kracher zur Seite gestellt und man erkennt deutlich seine Heimat in der Konzertkomposition.
Klaus, 2000
THE RED VIOLIN
John Corigliano
Sony Classical SK 63010
66:09 Min.
20 Tracks