The Quinn Martin Collection Vol. 1

Als Liebhaber jazzig peppiger und allgemein in diese Richtung ausgeführte Scores machen Andi und Phil es sich dieses Mal leicht und teilen die Veröffentlichung der THE QUINN MARTIN COLLECTION VOL.1 einfach auf. Phil nimmt CD 1 und Andi CD 2 unter die Fittiche.

Es ist so eine Sache mit Filmmusik aus der Flimmerkiste. Im Moment wird der Markt durch die Vielzahl an Streamingdienste und Bezahlsender, die eigene Produktionen auf die Beine stellen oder Serien und Filme teilfinanzieren, nahezu überschwemmt. Die Anzahl CDs aus diesem Segment ist so gross wie nie zuvor und die dazu gehörigen Komponisten oft völlig unbekannt – ehrlicherweise kann man die richtig guten Serien, Filme und (vor allem das interessiert uns am meisten) Musiken an jährlich zwei Händen abzählen, das ist schon hoch gegriffen. Da kommt die QUINN MARTIN COLLECTION von La-La Land Records wie gerufen, denn dieses Album fetzt!

Quinn Martin gilt als einer der grossen Produzenten im US-Fernsehen. Unter seiner Ägide entstanden Serien wie THE UNTOUCHABLES, 12 O’CLOCK HIGH, die 120 Episoden umfassende THE FUGITIVE und die noch länger laufende THE F.B.I. In den 70er Jahren schlugen Quinn Martin Produktionen wie STREETS OF SAN FRANCISCO und CANNON ein und wurden fast zu Strassenfegern. Zahlreiche auch im Film erfolgreiche Komponisten haben für Martins Serien Themen und Episoden betreut. In den 80er Jahren war das Ende der Fahnenstange für Quinn Martin Productions allerdings erreicht und es ist Music Editor Ken Wilhoit zu verdanken, dass einiges an Musik dieser Ära überlebte. Die Film Music Society übernahm die Sammlung, hat sie bis heute fein säuberlich gelagert und nun La-La Land Records zur Verfügung gestellt.

Die La-La Land Doppel-CD, die in Zusammenarbeit mit THE FILM MUSIC SOCIETY entstanden ist, beginnt mit einem der populäreren Jerry Goldsmith TV-Themen: BARNABY JONES (1973 – 1978). Am bekanntesten dürfte die Version auf der fantastischen JERRY GOLDSMITH WITH THE PHILHARMONIA – SUITES AND THEMES Konzert CD sein, die allerdings im Gegensatz zum Original-TV-Thema deutlich aufgepeppt daherkommt. Die Privatdetektivserie mit Buddy Ebsen (THE BEVERLY HILLBILLIES) als Titelfigur lief über 8 Staffeln bis 1980. Bei uns war sie damals weniger beliebt als in den Staaten und den jüngeren Hörer dürfte BARNBY JONES eher wenig sagen.

Goldsmith ging die Serie nur zögerlich an und wollte sie zunächst gar nicht machen. Sein Agent meinte aber hinsichtlich der damals grassierenden Filmmusikflaute: «Do it!» und so komponierte Goldsmith das Hauptthema und die erste Episode «Requiem for a Son». In dem knapp 22 Minuten dauernden Score greift Goldsmith oft auf sein Thema zurück, auch bleibt die Musik in der Spur der jazzig-mitreissenden Orchestration des Titelmotivs (Flöten, prominenter E-Bass, Hörner, Klavier, Drums). Er verwendet aber auch neue Motive wie jenes für die E-Gitarre in Track 2, das auch vom Blech und den Flöten intoniert wird sowie ein 2 und 3-Notenmotiv in den Flöten, das typisch für Jerry Goldsmith jener Zeit ist.

Bruce Broughton schrieb die Musik zur Episode «The Picture Pirates» aus dem Jahr 1978 (Staffel 7). Broughton verdiente sich zuvor seine Sporen mit Serien wie GUNSMOKE, HAWAII-FIVE-0 und HOW THE WEST WAS WON. Wie so oft liess es sich Broughton nicht nehmen der Episode seinen Stempel und ein eigenes Thema aufzudrücken. Er verwendet zwar kurz das 2- und 3 Noten Motiv von Goldsmith geht aber sonst seinen eigenen Weg mit Orchester, dabei sind seine Holzbläsereinsätze, die Paarung von Trompete mit Cembalo (16, «Jimmy Finds Rita/Bring Me Red Galaxy») und sein brougthonesque langgezogenes Thema für Rita (17, «Rita Confesses») auffallend. Ausserdem geben sich E-Gitarre, Drums und Blechbläser in Track 18 «To Western & Gower» ein Stelldichein um dem Krimiaspekt gerecht zu werden. In «The Old Beard Gag» spielt Broughton das BARNABY JONES Thema mit einem E-Piano an.   

Broughton komponierte ausserdem die Episode «A Desperate Pursuit» für Staffel 8, möglicherweise kriegen wir diese in einer anderen Veröffentlichung zu hören.

DAN AUGUST war eine kurzlebige Krimiserie mit Burt Reynolds als Polizist, Detective August, nach nur einer Staffel mit immerhin 24 Episoden war Schluss. Dave Grusin, nach 24 Episoden MAN FROM U.N.C.L.E., dem COLUMBO Piloten und THE HEART IS A LONELY HUNTER alles andere als ein Frischling im Filmmusikbusiness, hat ein richtig knackiges Titelmotiv geschaffen, das sich ziemlich sicher, wäre die Serie länger in der Kiste geflimmert, zu einem wahren «Kopf raus aus dem Kühlschrank»-Thema gemausert hätte. Natürlich basiert Grusin den Grossteil seiner Musik zu «The King is Dead» hauptsächlich auf diesem und einem begleitenden Thema, secondary motiv wie die Amis so schön sagen. Eine kühle Brise verströmt sein «Liebesthema» in Track 23 mit der Solotrompete, die über dem Klavier und den Streichern schwebt. Alles in allem ein richtig starker TV-Score.
Auch die nächste Episode, die Grusin scorte, «When the Souting Dies» kommt aufregend und spannend daher, wieder basiert Grusin seine Komposition hauptsächlich auf seinem kraftvollen Titelthema, nun angereichert mit deutlich akzentuierten Streichern und verstärktem Schlagzeugspiel (das Intro zu «Badenhaus Blauen» lässt fast ein wenig den Schifrin aus DIRTY HARRY vorausahnen), sowie Grusins Trademark Piano in Track 32 «Carla». Übrigens ist die Tonqualität dieser Episodenmusik besser als die der vorherigen, die Musik klingt unheimlich druckvoll und präsent.

CD 2 wird mit MOST WANTED eröffnet. In dieser Serie, von der bloss eine Staffel produziert wurde, spielt Robert Stack den Leiter einer Polizeieinheit, die darauf spezialisiert ist, die meistgesuchten Verbrecher dingfest zu machen. Richard Markowitz, Patrick Williams und Lalo Schifrin waren für die Musik besorgt, hier findet sich Schifrins Score zur ersten Episode THE SKY KILLER aus dem Jahr 1976. Mit einer Laufzeit von über einer halben Stunde handelt es sich um den längsten Einzelbeitrag vorliegender Sammlung. Mit sehr viel, auf diese Art vom Komponisten gewohnten Suspense (DIRTY HARRY und Co. lassen grüssen) zieht sich das Ganze ein wenig in die Länge, und aufregendere Momente wie «Prelude» und «Skyjacking» wurden zusammen mit den entsprechenden Szenen aus der ausgestrahlten Folge herausgeschnitten, dürften also auf dieser Veröffentlichung zum ersten Mal überhaupt gehört werden. Der «Main Title» ist ‒ insbesondere auch der Synthesizer wegen ‒ ein typisches Kind seiner Zeit. Alles in allem wird dem Schifrin-Fan zwar einiges geboten, aber es handelt sich im Grunde genommen doch eher um einen Routinejob des Argentiniers.

Auf immerhin fünf Staffeln brachte es der auch in unseren Breitengraden gern gesehene CANNON, eine übergewichtige, von William Conrad verkörperte Spürnase. Zwar war John Parker nicht alleiniger musikalischer Verantwortlicher dieser Serie, aber doch deren Hauptkomponist. Hier kommen seine Musiken zum Pilotfilm sowie zur allerersten Episode THE SALINAS JACKPOT ‒ beide von 1971 ‒ zu Gehör. Das markante und durchaus auch humorvolle Hauptthema machte Conrad Kummer, da darin eine Tuba, vielleicht als Anspielung auf seine Leibesfülle, eine gewichtige Rolle spielt und es ihm daher zu schwerfällig war. Parker beharrte indes darauf, und beim schwungvollen Spiel von Hollywoods Top-Tubist Tommy Johnson konnte sich letzten Endes wohl niemand beschweren.

Parker bringt das Hauptthema oft und gerne in vielfältigen Bearbeitungen immer wieder ein, und neben Soloauftritten der Tuba sind hauptsächlich auch andere Blechblasinstrumente für dessen Präsentation zuständig. Jazz, gerne im Big-Band-Bereich, ist ein weiteres Markenzeichen von CANNON, daneben können mal flotte Countryklänge, eine kleine Cembalo-Einlage, Blues oder eine Bossa Nova Akzente setzen. Die vom Grundcharakter her sympathische Musik mag insgesamt nicht besonders tiefschürfend sein, aber sie bietet Unterhaltung auf hohem Niveau und ist damit eine ganz feine Sache.

Den Abschluss bilden ein paar Themen zu kurzlebigen und kaum bekannten Serien, als da wären: THE MANHUNTER (1974‒1975) von Duane Tatro, CARIBE (1975) von Nelson Riddle, BERT D’ANGELO / SUPERSTAR (1976) von Patrick Williams und TALES OF THE UNEXPECTED (1977) von David Shire, allesamt kleine Schmankerl aus einem Jahrzehnt, das mit knackigen und unvergesslichen TV-Themen geradezu gesegnet war.

Die Doppel-CD wird von einem reich bebilderten und mit Liner Notes von Jon Burlingame versehenen Booklet begleitet, der in seinen Texten allerdings kaum über das Allernötigste hinauskommt. Aber was soll’s, die Musik spricht für sich und zeigt auf, wie hochkarätig Fernsehmusik selbst dann sein kann, wenn sie für kleine und wenig Erfolg versprechende Produktionen geschrieben wird. Dafür sorgen sowohl die Top-Leute ihrer Zeit wie auch deren Kollegen aus der zweiten Garde sowie aufstrebende Jungkomponisten. Wenn «The Quinn Martin Collection» auf dieser Qualitätsstufe weitergeführt wird, dann dürfen wir uns jetzt schon auf die kommenden Veröffentlichungen freuen.

Phil, 23.6.19

                                                   

Andi, 23.6.19

 

 

THE QUINN MARTIN COLLECTION VOL. 1

Jerry Goldsmith, Dave Grusin, Bruce Broughton, Lalo Schifrin, John Parker u.a.

La-La Land Records

CD 1:
73 Min. / 39 Tracks

CD 2:
75 Min. / 41 Tracks