The Private Files of J. Edgar Hoover

Review aus The Film Music Journal No. 16, 1998

Es ist ja die Regel, daß Kritiker einander widersprechen, wie ein Blick auf die vergleichende Kurzbewertungstafel zeigt. Seltener dürfte hingegen ein deutlich umschwenkendes Urteil bei ein und demselben Rezensenten binnen weniger Monate vorkommen, und dann auch noch in Bezug auf eine Komposition, die nicht etwa innerhalb von fünf, sechs Durchläufen ihren Nimbus eingebüsst hat, sondern schon Jahre im Schrank steht. Doch genau das muß ich hier im Hinblick auf die vorliegende Wiederveröffentlichung eines Rózsa-Spätwerks (1978) durchexerzieren.

Mein im ersten Teil des Rózsa-Porträts eher besorgter Blick auf die Filmmusiken der 70er Jahre gipfelte in der Feststellung, mit THE PRIVAT FILES OF J. EDGAR HOOVER sei Rózsas «Tiefpunkt» erreicht. Diese Komposition lag bislang auf einer nur noch mühsam beschaffbaren CD mit dem Titel Double Life vor (Bay Cities 1020), und zwar als Suite von gut 25 Minuten Länge. Ich vermute, hier mißmutig der schlampig aufgenommenen, mit einer wehenden Rauschfahne behafteten, dumpf klingenden Präsentation sowie dem Full Screen-Video mit übler Tonspur aufgesessen zu sein. Denn die neue Citadel-Veröffentlichung hat nicht nur einen deutlich klangprächtigeren Sound (mit leider immer noch vorhandenen Störgeräuschen), welcher die Komposition wesentlich kraftvoller erscheinen läßt als die ältere CD, sie ist überdies in 23 Segmente aufgeteilt, von denen rund die Hälfte erstmals den Weg auf einen Tonträger fand; meist kurze lyrische Stimmungsstücke, die sich ruhig um die prägnanten Hauptelemente gruppieren. Nun überlässt man sich viel lieber dem vorwärts stürmenden Zentralthema für die Hauptgestalt, den Klarinetten- und Streicherkantilenen für besinnliche Abschnitte, dem mitreißenden, urbanen Hornthema zu Beginn der «End Titles» -und gelangt zu einem deutlich wohlwollenderen Urteil.

Dem arbeiten auch beide Bonus-Beigaben zu: bereits zuvor veröffentlichte Suiten aus LYDIA (1941, Klavierversion – für das auf und nieder wogende Teilstück «The Sea» möchte man rundum die Uhr Klavier üben) und CRISIS (1950, Gitarrenstücke). Ich habe mich gern des Besseren belehren lassen und empfehle die CD um so lieber, als das vermeintlich Bekannte sich dank einer engagierten Neu-Offerte der Citadel-Leute in ganz neuem Licht präsentiert. Nämliches bescheint die gar nicht altersblassen Farben der HOOVER-Musik! Neben Salters MAYA die zweite bedeutsame CD des kleinen Labels in diesem Jahr.

Matthias  |  1998

THE PRIVATE FILES OF J. EDGAR HOOVER
Miklós Rózsa
Citadel
67:17 | 36 Tracks