Poltergeist (Rhino)

Review aus The Film Music Journal No. 11, 1997

„Endlich“ hat man sich wohl gedacht, als die lang ersehnte CD-Veröffentlichung dieses Werkes bekannt wurde. Erleichterung dürfte sich zusätzlich bei Bekanntwerden des Labels breit gemacht haben, ist doch Rhino fast schon ein Garanten für vollständige, sorgfältig recherchierte und zusammengestellte Veröffentlichungen mit hoch informativen Booklets. Nicht anders bei POLTERGEIST. Mit gut 68 Minuten enthält die CD ca. 30 (!) Minuten mehr Musik als die mittlerweile äußerst rare und bis dato heiß begehrte LP. Auch ein paar Minuten Musik, die letztendlich aus dem Film herausgenommen wurden, sind enthalten (The Tree, Broken Glass, The Hole), sowie das zweifellos dazu gehörende Star Spangled Banner (die US-amerikanische Nationalhymne), das den Film einleitet (inklusive anschließendem Fernsehrauschen).

Nun aber zur Qualität der Musik. Ohne Übertreibung darf wohl gesagt werden, daß POLTERGEIST zum Besten aus Goldsmith’s Schaffen gehört. Seine Musik ist die perfekte Ergänzung zum Film und trifft zu jeder Zeit und zu jeder Szene exakt die Handlung und vor allem den Nerv des Zuschauers. Goldsmith wählt nicht etwa nur schräge und dunkle, tiefe Klänge, wie man das von einer Musik für einen Horrorfilm erwarten könnte. Er spiegelt mit seiner Komposition genau das wider, was der Film durch das Verhalten der Hauptfiguren zu vermitteln versucht: Abstoßung und Faszination für die zutiefst mystischen Ereignisse zugleich. Dies erklärt gerade in den aktionsreichen Szenen des Films den häufigen Wechsel zwischen aufreibender, exquisiter Actionmusik und melodischen, teils auch wuchtigen Choralpassagen. Denn meistens sind es die Choreinsätze, die die Mystik und unterschwellige Faszination für die Vorgänge zum Ausdruck bringen.

Diese Faszination kommt aber nur deshalb zustande, weil der Poltergeist zwar eine Bedrohung ist, aber letztlich keinem Menschen physischen Schaden zufügt, denn obwohl es sich um einen Horrorfilm handelt, wird kein Mensch ernstlich verletzt oder gar getötet. Über diese übersinnlichen Ereignisse hinweg wird jedoch nicht die Gefühlswelt der Hauptfiguren vergessen, die sich nicht nur in Angst und Verzweiflung sondern auch in Sorge, Fürsorge und Dankbarkeit äußert. Musikalisch spielt dabei Carol Anne’s Theme eine wichtige Rolle. Dieses Thema intoniert die kindliche Unschuld, Zartheit und Lebensfreude eines kleinen Kindes, in diesem Fall Carol Anne, die Eigenschaften also, von denen der Poltergeist zu profitieren versucht, indem er Carol Anne „entführt“. Variationen dieses Themas sind gerade in den ruhigen Szenen zu hören, wenn man über oder mit Carol Anne spricht. Erstmals angespielt wird es in The Neighbourhood, welches die Main Credits unterlegt. Zur vollen Entfaltung kommt es jedoch erst, als schon alles vorbei ist, nämlich im Abspann.

Beste Qualität bieten Film und Musik, weil die Geschichte nicht nur vordergründigen Horror bietet, sondern sehr sorgfältig ausgearbeitet wurde und Tiefgang hat. Diese Voraussetzungen greift Goldsmith dankbar auf und setzt sie glänzend um, so daß Musik und Film zu Klassikern des Horror-Genres wurden.

Klaus  |  1997

 

POLTERGEIST

Jerry Goldsmith

Rhino

68:10 | 13 Tracks