In gepflegter Optik werden von La-La Land zwei klassische Waxman-Alben im Doppelpack wiederveröffentlicht. In beiden Fällen deckt sich der Inhalt mit den ursprünglichen LPs, auf Zusatzmaterial oder gar komplette Versionen muss also verzichtet werden, aber allein die Tatsache, dass es sich hier um erlesene, schon länger vergriffene Scores handelt, die zudem im Rahmen des Möglichen klanglich optimiert wurden, macht diese limitierte Edition zu einem Leckerbissen nicht nur für Fans des Komponisten.
PEYTON PLACE (1957), nach dem Erfolgsroman von Grace Metalious, spielt in einer Kleinstadt Neuenglands, deren vordergründige Beschaulichkeit von Waxman im Eröffnungstrack «Main Title – Hilltop Scene» während rund 11 Minuten mit dem in Herbstfarben getauchten, entschleunigten Hauptthema und sanfter Americana skizziert wird. Hier scheint die Welt noch in Ordnung, das vermitteln auch das scherzohafte «Entering Peyton Place – Going to School» mit Glockenspiel und verspielter Hauptthema-Variante sowie «Rossi’s Visit», wo ein weiteres, gediegenes (Liebes?)Thema seine erste Aufwartung macht. Danach erhält die immer noch dominierende Idylle erste Risse. Denn natürlich wird auch hinter die Fassade geschaut, wo sich ‒ wie könnte es anders sein ‒ menschliche Abgründe auftun, und hier ist Waxman in seinem Element. Während «After the Party – Chase in the Woods» an die unberechenbare Brutalität eines DR. JEKYLL AND MR. HYDE erinnert, fügen sich bei «Constance’s Story – Allison’s Decision» und «The Rape» auch die Hauptthemen in die vorherrschende Stimmung von Verzweiflung und Bedrohung ein. Die Lage entspannt sich im Umfeld von militärischen Signalen in «Peyton Place Draftees – Honor Roll» langsam wieder, und in «Love Me, Michael – End Title» wird hoffnungsvoll in die Zukunft geschaut. Ein ungemein treffender Blick auf einen gesellschaftlichen Mikrokosmos, den es nicht nur in Kleinstädten Neuenglands gibt, ist Waxman da gelungen.
Zu einer emotionalen Reise vom ruralen Michigan über New York bis auf die Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges lädt Waxman mit HEMINGWAY’S ADVENTURES OF A YOUNG MAN (1962) ein. Die Initialzündung dazu liefert das im filigranen, auf- und absteigenden Spiel von Piccolo und Celesta erklingende «Flight Theme», das die den «Prologue» eröffnende, verhaltene Fanfare mit dem verträumt-sehnsüchtigen Hauptthema verbindet. «Leaving Town» befasst sich mit der Abreise des jungen Nick Adams Richtung New York, und umtriebiges Americana bietet nicht nur einen Vorgeschmack auf die grosse weite Welt, sondern etabliert auch das «Walking Theme» in Form einer einsamen Solotrompete. Ein Zwischenhalt in Ohio wird von einem aufstrebenden Filmkomponisten namens John Williams am verstimmten Honky-Tonk-Klavier begleitet. Als Sanitäter nach Italien geschickt, begegnet Nick einer Krankenschwester, für die eines der Eckthemen des Scores bestimmt ist. Dieses bildet zunächst im qualvoll-lähmenden «The Hospital» einen kleinen Lichtblick und enthüllt dann in «Rosanna» im Klang von romantischen Mandolinen seinen lieblichen Charakter. Das Glück ist indes von kurzer Dauer, und das Thema findet sich unvermittelt in der Agonie von «Rosannas Death» wieder. Verwundet an Leib und Seele kehrt Nick nach Hause zurück, nur um mit Hiobsbotschaften empfangen zu werden. In «Home Again» lastet das Konvolut der tragischen Ereignisse in Nicks Leben schwer auf der Musik und hinterlässt auch am den Track einrahmenden «Flight Theme» seine Spuren. Dieses kündet im «Finale» zwar Nicks erneutes Verlassen der Heimat an, aber das abschliessende «Rosanna-Theme» stellt die Frage in den Raum, ob er seine verloren gegangene Liebe je vergessen kann, und ob er eines Tages irgendwo (wieder) findet, was er sucht. Nicht lange suchen muss hingegen der Liebhaber anspruchsvoller Filmmusik, denn mit diesem Score (einem seiner letzten fürs Kino übrigens) erweist sich Franz Waxman ein weiteres Mal als ganz grosser Meister seines Fachs.
PEYTON PLACE / HEMINGWAY'S ADVENTURES OF A YOUNG MAN Franz Waxman La-La Land Records LLLCD 1423 CD 1: 40:19 Min. / 10 Tracks CD 2: 40:43 Min. / 11 Tracks Limitiert auf 2000 Stk.
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