Pan Tadeusz

Review aus The Film Music Journal No. 25, 2001

Eines vorweg! Die Klangqualität dieser CD ist sensationell und stellt alles in den Schatten, was mir in den letzten Jahren vor die Ohren gekommen ist, sogar die in dieser Hinsicht stets beeindruckenden Aufnahmen Hans Zimmers. Soundfetischisten mit Filmmusikleidenschaft müssen diese Scheibe haben! Das reich gestaffelte, naturhaft-räumliche Klangbild mit einem sehr warmen Ambiente für Hornfarben, Streicher und Schlagzeug zahlt schon die halbe Miete. Und der Rest? Kommen wir zur Sache, zu PAN TADEUSZ von Wojciech Kilar.

Immer wieder läßt sich beobachten, daß Kostümfilme die Komponisten zu Höchstleistungen anspornen. Vielleicht löst sich die tiefsitzende Verkrampfung, sobald man sich nicht mehr Gedanken darüber zu machen hat, wie man zeitgenössische Geschichten mit der passenden Musiktapete ausstattet. Spielt der Film im 18. oder 19. Jahrhundert, so liefert der Rückgriff auf die historisch entsprechende Musiksprache – filmmusikalische Tonalität zehrt ohnedies davon – den passenden Rahmen für ambitioniertes Komponieren. Die Last der Tradition mutiert zur Lust am Spiel mit eben derselben. Wer die CD im Laden findet, höre schnell in Track 3 hinein: im Vordergrund ruft ein Horn, erhält eine Antwort von einem sensiblen Streicherchor, und aus der Ferne grüßt ein weiterer Blechkollege: Echo ist der selbstverständliche Titel dafür. PAN TADEUSZ ist, so weit ich die Produktionen überblicke, die beste neukomponierte Filmmusik des Vorjahres und löst endlich mal wieder die Erwartungen ein, die man ansonsten nur allzu häufig herunterschrauben muß.

Die Vorgabe bietet ja auch einiges: Andrzej Wajda dürfte der renommierteste polnische Filmregisseur sein, und die gleichnamige Vorlage des Nationaldichters Adam Mickiewicz (1834) gehört zum Kernbestand der polnischen Kulturgeschichte. Ein Volltreffer sogleich die «Inwokacja», als Naturstück von bedeutender Schönheit. Holzbläser und Harfen wogen gemeinsam auf und nieder, und über ihrem Klangbett breitet sich eine expansive Geigenmelodie aus, der sich im weiteren Verlauf die Celli annehmen und mit ihrem satten Tenorton ausspinnen. Auch die Hörner sind zur Stelle. Wir alle kennen die prächtigen Americana-Kompositionen von Copland bis Broughton. Hier nun aber ein europäisches Pendant mit anderen Mitteln, bei gleicher Intensität.

Mit den Hörnern geht es in die nächste Runde, denn sie fügen sich zu einer Art Jagdchor zusammen und lassen ihr Signal erschallen. Überhaupt horcht und tönt es hier abwechselnd. Auch ein neues Thema, «Swiatynia dumania», läßt sich nicht hängen und stimmt in die vorwaltende Lebensfreude ein. Doch halt, man befindet sich ja in einem polnischen Geschichtsmelodram, und ab Track 5 vollzieht sich der Übergang ins Gesellschaftsleben mit höfischen Etiketten und züchtigem Benimm. Kilar spießt das ironisch auf. Ein edelbitteres Liebesthema, in enger Nähe zum DRACULA-Score des Komponisten nicht nur, sondern gar zu BASIC INSTINCT angesiedelt, rundet das motivische Potential beinahe ab. Beinahe —denn nach einem heroischen Marsch, geradewegs die Vorwegnahme einer Hymne, schickt Kilar sich an, den Nationaltanz der Polen zu formen: die Polonaise will nicht recht zu sich selbst kommen, bleibt in Track 8 noch als rein rhythmisches Gebilde im abstrakten Zustand. Später erscheint die zugehörige Melodie (Track 11), nun aber ohne den unverzichtbaren Rhythmus.

Erst die «Polonez» (Tr. 15) bietet das Stück in wirklicher Vollendung. Romantisierende und lokalfärbende Kompositionen folgen einander im Wechsel, und dann gibt es als Zugabe noch ein kurzes Melodram mit Mickiewicz-Texten. Leider ist der seichte Ausklang mit einem gleich zweimal (vokal und instrumental) zu hörenden Song von Grzegorz Turnau nicht gerade eine Glanzleistung. Kilars Anteil jedoch kommt in die Endlosschleife.

PAN TADEUSZ begeistert so nachhaltig, weil die Spritzigkeit des Materials, die Sicherheit der Instrumentation und notwendige Abwechslung alle Wünsche befriedigen. Und wer als Käufer zurückschreckt, weil er nicht weiß, was er von einem polnischen Produkt zu halten habe, bekämpfe seine Vorurteile und besorge sich die preislich günstige Import-CD, so lange sie auf dem Markt ist. Das wird noch einmal eine gefragte Rarität sein, für die man dann bis nach Polen fahren darf.

Matthias | 2001

PAN TADEUSZ

Wojciech Kilar

Pomaton/EMI

48:42 | 18 Tracks