Seit Disney die Fäden im STAR WARS-Universum zieht und Sequels, Prequels und Character-Spin-Offs in hoher Kadenz produziert, zeichnen punkto Filmmusik weitere andere Namen neben dem Sternensaga-Übervater John Williams für mal mehr mal minder gelungene Soundtracks verantwortlich. In Bezug auf die Kompositionen für die TV-Adaptionen für Disney+ haben mir Ludwig Göranssons Klangkreationen für THE MANDALORIAN (2019–2022) und THE BOOK OF BOBA FETT (2021–2022) wenig zugesagt. Nathalie Holts Beitrag zu OBI-WAN KENOBI spricht mich indes wieder deutlich mehr an – dank einer kurzweiligen Mischung aus familiären STAR WARS-Klängen und knackigen Neuerungen.
Kurz zu «Wer hat was gemacht»: Nathalie Holt soll anfänglich alleinige Komponistin gewesen sein – sie hatte scheinbar auch ein eigenes «Obi-Wan»-Thema komponiert. Dann soll John Williams Disney gegenüber eröffnet haben, dass er gerne ein Thema für die Titelfigur komponieren würde. Da sagt Disney natürlich nicht nein. Mit Williams mit an Bord, soll sein langjähriger Arbeitskollege William Ross als «Theme Adapter» mitverpflichtet worden sein. Und so sah sich Nathalie Holt mit komplexer Studiopolitik und den beiden Herren konfrontiert, weshalb sie Teile ihrer Musik neu komponieren und umstrukturieren musste. Sprich, das Hauptthema, präsentiert in konzertanter Form im eröffnenden Stück «Obi-Wan», stammt von Williams, für sämtliche Adaptionen hiervon sowie für das Einbinden anderer STAR WARS-Themen soll Ross verantwortlich gewesen sein und den Rest der Musik komponierte Holt. Soweit in aller Kürze und ohne auf viele weitere Debatten hierüber näher einzugehen. Das Ergebnis ist dennoch über weite Strecken unterhaltsam und kommt einheitlich daher, was unter Berücksichtigung dieser Umstände auch anders hätte ausfallen können.
Das eröffnende «Obi-Wan»-Stück ist, wie erwähnt, die Konzertversion des neuen Themas von Williams. Erneut gelang dem Altmeister ein veritabler Ohrwurm mit ansprechendem, noblem Charakter und fast schon sakral anmutender Eleganz. Mit seinem gesetzteren, dramatischeren Charakter löst diese Komposition zwar keine Begeisterungsstürme wie jüngere STAR WARS-Ergänzungen mit «Rey’s Theme» oder «The Adventures of Han» aus, aber das Stück erweist sich als prägender reissfester roter Faden dieses TV-Soundtracks und macht sich gut im Williams Oeuvre für die STAR WARS-Saga. Die weiteren Highlights der Musik für OBI-WAN KENOBI – soweit in diesem Digital Release veröffentlicht – machen die Adaptionen des «Obi-Wan»-Themas und weiterer STAR WARS-Themen wie der «Imperial March», das «Princess Leia’s Theme» und das «Force»-Thema zum Ende des Albums hin aus. In diesem Zusammenhang tun sich insbesondere die Stücke «The Journey Begins», «First Rescue» (mit tollen Bläserakzenten), «Overcoming the Past» und das 9-minütige Finale bestehend aus «Saying Goodbye» und «End Credits» hervor. Hier gibt es viele schöne Musikminuten zu hören.
Nathalie Holt ihrerseits bringt definitiv noch eine eigene musikalische Stimme mit, wobei die Trennschärfe kein störendes Ausmass annimmt. Ihre Kompositionen sind indes weniger stark vom STAR WARS-Klang geprägt – Stücke wie «Inquisitors’ Hunt» oder «Ready to Go» oder «The Path» könnten stilistisch auch problemlos in ein Marvel-Universum oder eine Michael-Bay-Produktion passen. Die Beats, Rhythmen, Bläser- und Streicherfiguren ahmen gängige moderne Filmmusikansätze nach, ohne einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Interessanter sind dagegen ihre exotischer klingenden Musikporträts für einzelne Planeten und deren Kulturen – Mapuzo, Daiyu und Alderaan. Die Kombination aus orchestralen Elementen, Gesang und Synthi-Effekten erinnert teils fast schon an Vangelis oder teils auch an John Powell. Sie bilden einen farbigen Kontrast und im Falle von «Young Leia», «Days of Alderaan» und «Bail and Leia» bieten sie willkommene Harmonien gegenüber dissonanteren Spannungsstücken wie «Cat and Mouse», «Sensing Vader» oder «Spice Den». Das dramatische Stück «Sacrifice», das auch gänzlich aus ihrer Feder stammt, ist zudem ein Highlight.
Damit ist die Musik zu OBI-WAN KENOBI definitiv wert, gehört zu werden und ich für meinen Teil habe mir aus genannten Highlights eine rund 30-minüitge Version zusammengestellt, die ich mir gerne wieder anhören werde.
Basil, 06.09.2022
OBI-WAN KENOBI: SEASON 1
Nathalie Holt (Score), John Williams (Obi-Wan Theme; Star Wars themes), William Ross (Themes adaptations)
Walt Disney Records
82:51 | 31 Tracks