Doch, ich gebe es zu, mein innerlicher Aufschrei war recht gross, als ich erfuhr wer den neusten James Bond Film vertonen würde – und ein Jubelschrei war es nicht. Zuerst sollte Dan Romer für die Musik sorgen, alsbald wurde der Name Zimmer genannt. Fast parallel kam die Nachricht, dass Hans Zimmer auch die Neuverfilmung von DUNE (2021) musikalisch betreuen würde, was abermals zu einem leichten Aufstösserchen führte, ganz ähnlich bei der Darlegung der News, wer den neuen Bond songtechnisch betreuen sollte: Billie Eilish. Seither ist einige Zeit, Coronazeit, in die Landen gegangen und Daniel Craigs letzter Auftritt als 007 kam, wie wir alle wissen, erst 2021 in die Kinos. Als James Bond-Fan, der immer Spass an John Barrys Musiken des britischen Geheimagenten und mit etwas Abstrichen an der von David Arnolds Musik hatte, befürchtete ich ein musikalisches Gemetzel. Andere Einzelkämpfer wie Bill Conti, Marvin Hamlisch oder zuletzt Thomas Newman waren zwar erfrischend, aber nicht bleibend, besser machte es da eindeutig Michael Kamen und über Eric Serras GOLDENEYE (1995) legen wir den Mantel des Schweigens. Und doch, bei mir spielt der Traditionalist hinein, für den James Bond eben eine ur-britische Thematik ist und also sollte doch auch ein englischer Komponist, von denen es nicht wenige gibt, für die Musik besorgt sein, oder? Ich weiss, ich stehe damit eher allein in der Filmmusikwelt.
Sein lassen konnte ich es nicht und sich ein eigenes Bild machen kann man sowieso erst, wenn man sich die Musik angehört. Somit legte ich die CD mit einem etwas flauen Gefühl im Bauch in den Player und siehe da, Hans Zimmer legte einen guten Bond hin. Gerade die ersten Tracks (sein «Gun Barrel» ist so faszinierend wie zu guten, alten Zeiten) offenbaren eindeutige, klare und ohne Zweifel gewollte Referenzen an vergangene James Bond Zeiten mit knackigem Blech und twangy E-Gitarre, das James Bond Thema spielend, so dass der Traditionalist in mir sich entzückt zurücklehnen kann. Ja und dann zaubert Zimmer auch noch «We Have All the Time in the World» in «Matera» und Barrys eigenes Bond-Thema aus HER MAJESTY’S SECRET SERVICE (1969) hervor («Good to Have You Back»). Entzückend! Damit hat mich Zimmer so gut wie gewonnen. In «Message from an Old Friend» lässt Zimmer den Zimmer hören, ebenso in den ersten Takten von «Lovely to See You Again», aber auch mit einem Vier-Noten-Motiv in Actionstücken wie «Norway Chase» und allen voran in Teil Zwei der CD.
In vielen Tracks taucht das James Bond Thema auf, deutlicher, versteckter, abgeändert und auch «in your face», so wie es sich gehört. Die Stücke, in denen dieses mit um bekannteste aller Filmmusikthemen nicht zu hören ist, kann man vor allem in der ersten Albumhälfte an einer Hand abzählen. Zimmers Score ist zum grössten Teil orchestral gehalten (hie und da mit elektronischer Dauerperkussionsberieselung), ja er setzt wie in «What Have You Done?» oder dem düsteren «Poison Garden» sogar einen Chor und eine ethnisch klingende Flöte ein (die Musik für die bad guys). Ein Vorteil des Zimmer-Bonds ist die Einbindung des Titelsongs «No Time to Die», gesungen und mitkomponiert von Billie Eilish in mehrere Tracks, vor allem im zweiten Teil des Albums («Lovely to See You Again», «Home», «I’ll Be Right Back»…). Doch der Song ist sicher nicht der stärkste der Bond-Franchise, da gibt es wesentlich gelungenere und packendere. Zimmer hat ausserdem ein eigenes recht auffälliges Motiv geschrieben, das er des Öfteren als sentimentales Thema verwendet, zu hören in «Square Escape» oder ganz zu Beginn von «Shouldn’t We Get to Know Each Other First?». Auch Cuba-Feeling lässt der Komponist dann und wann aufkommen («Cuba Chase»).
So wie Zimmer die Bond-Themen und das neue Bondmaterial angeht und verwendet, wird der Score für die Traditionalisten unter uns (mich!) zugängiger und attraktiver. Was viele befürchteten, einem BATMAN-Bond entgegensehen zu müssen, ist zum Glück ausgeblieben (auch wenn die zweite Albumhälfte insgesamt ein wenig nachlässt). Im Gegenteil, Hans Zimmer outet sich mit seinem Score zu NO TIME TO DIE (2021) als Fan der Serie, der die Stärken der musikalischen Identität kennt und das Rad nicht neu erfinden will. Also, wer sich David Arnold zurück an die Bond-Tasten gewünscht hat, wird mit Zimmers NO TIME TO DIE überraschend gut entschädigt. Endlich wieder ein Bond-Score, der über weite Teile Spass macht.
Phil 15.11.2021
NO TIME TO DIE
Hans Zimmer
Decca
71 Min.
21 Tracks