Night Passage

Obwohl sie beide oft im Genre anzutreffen sind, ist NIGHT PASSAGE der einzige gemeinsame Western von James Stewart und Dimitri Tiomkin. Als Hauptzutaten seines Scores dienen Tiomkin hier gleich zwei, von seinem häufigen Partner Ned Washington getextete Songs mit volkstümlichem Charakter: das sentimentale «Follow The River» und das humorvolle «You Can’t Get Far Without A Railroad». Die Eisenbahn spielt denn auch eine zentrale Rolle im Film des hauptsächlich fürs Fernsehen tätigen Regisseurs James Neilson. Der mit seinem Akkordeon herumziehende Ex-Bähnler Grant McLaine (Stewart) ist es leid, mit Musik und Gesang die Leute zu unterhalten und lässt sich von seinem ehemaligen Boss anheuern, Lohngelder zu transportieren. Auf die hat es eine Gang abgesehen, der nebst stets gern gesehenen Fieslingen wie Dan Duryea und Jack Elam auch Audie Murphy als Grants jüngerer Bruder Lee angehört. Die Banditen nehmen Grant auf der Suche nach dem Geld gefangen, und dadurch kommen sich die entzweiten Brüder wieder näher.

Wie Lebensadern durchziehen die zwei Songs, in entsprechenden Bearbeitungen emotions- und situationsbezogen, den Score. In den nützlichen, von Frank K. DeWald verfassten Liner-Notes findet man die Information, dass «River» 33 mal und «Railroad» 27 mal angespielt werden. Ein paar interessante Fakten gibt es zu den gesungenen Versionen – insbesondere «River» – zu berichten: in «Main Title» und «End Title» überträgt Tiomkin den Song dem von ihm sehr geschätzten, afrikanisch-amerikanischen Männerchor «Hall Johnson Choir». Als sich einmal ein Filmstudio daran störte, dass er für «klassische Musik» schwarze Sänger beschäftigte, entgegnete Tiomkin: «es ist meine Musik, und ich mag den Klang.»

Nicht unerwähnt bleiben darf die Tatsache, dass James Stewart im Film die beiden Songs anstimmt und sich dabei als ganz passabler Sänger entpuppt. Ausserdem spielt er auch das Akkordeon (wurde hierbei auf der Tonspur aber von einem Profi gedoubelt), ein Instrument, dass ihn seit Kindertagen begleitete und ein wichtiger Bestandteil seiner frühen Jahre im Showbusiness war. Auf dieser CD sind seine Beiträge allerdings in den Extras und in mehreren Takes zu hören. Ebenfalls in dieser grosszügigen Sektion findet man Demo-Versionen der beiden Songs (mit Gesang von Bob Grabeau bei «River» und Al Hopper bei «Railroad»), die der Werbung des Films dienen sollten und wohl eher für Radiostationen als zur Veröffentlichung gedacht waren.

Ansonsten ist vor allem im währschaften Actionbereich der vertraute Tiomkin zu hören: mitreissende Scherzi mit huschenden Streichern, in den Vordergrund gehobenem Xylophon, Flatterzungen bei mal offenem, mal gestopftem Blech. Romantische Momente, in denen sich gerne Saxophone hervortun, Tragik und Spannung, überall ist Tiomkin mit Eifer und Leidenschaft dabei. Auch wenn man von einem Routine-Westernscore des Komponisten sprechen könnte, reissen nicht nur die beiden Songs vieles raus, vor allem «Follow The River», für mich Herz und Seele von NIGHT PASSAGE und einmal gehört, nie mehr vergessen. Allein schon deshalb ist die Erstveröffentlichung dieser herrlichen Musik höchst verdankenswert.

Ein paar Abstriche gibt es beim Klang zu machen. Als Quelle dienten die Mono Session Masters, an denen da und dort die Zeit nicht ganz spurlos vorüber ging. Aber da alles im völlig akzeptablen Bereich liegt, dürften jene, die nicht allzu audiophil veranlagt sind, grosse Freude an dieser wunderbaren Intrada-CD haben.

Andi  |  22.09.2024

NIGHT PASSAGE
Dimitri Tiomkin
Intrada ISC 507
75:55 | 28 Tracks