Nevada Smith: The Paramount Westerns Collection

Vier der elf auf diesem Set enthaltenen Scores (in ihren Filmversionen allesamt Premieren) stammen von der Elite der Hollywood-Komponisten; nur sie alleine machen diese Edition für Liebhaber von Westernfilm-Musik schon unverzichtbar, und ihre jeweiligen Hauptthemen wären für jeden Sampler mit Western-Themen eine echte Bereicherung.

Al Newmans Hauptthema zu NEVADA SMITH ist eine unverkennbare Schöpfung des genre-erprobten Komponisten; energievoll, stark, selbstbewusst, aber auch sensibel im Spiel von Gitarre und Mundharmonika, dem Hauptcharakter auf den Leib geschrieben. David Raksins «Will Penny» ‒ auf dieser Veröffentlichung auf sechseinhalb Minuten ausgedehnt ‒ umweht ein Hauch von Traurigkeit. Eine an sich simple Melodie, die sich augenblicklich im Ohr festsetzt und kaum mehr rauszukriegen ist, aber Raksin verleiht ihr mit komplexen Akkorden und synkopierten Rhythmen eine Vielschichtigkeit, die einen völlig in ihren Bann zieht. Im kraftstrotzenden THE FURIES wirft TARAS BULBA seinen Schatten voraus; vielleicht nahm sich Franz Waxman Dimitri Tiomkins legendären Ausspruch «eine Steppe ist eine Steppe ist eine Steppe» zu Herzen. Und schliesslich Victor Youngs STREETS OF LAREDO; wow, was für ein Hauptthema, das jedes Golden-Age-Herz höher schlagen lässt, im «Prelude» schwelgerisch und majestätisch von Waldhörnern, Posaunen und Celli dargeboten.

Für sein bemerkenswertes Spätwerk NEVADA SMITH wirft Newman nochmals sein schöpferisches Potenzial in die Waagschale. Nebst dem Hauptthema in vielen Schattierungen bietet er Folkloristisches diverser Provenienz (besonders behutsam und im Verbund mit betörender Romantik für ein Indianer- und ein Cajun-Mädchen), stellt Naturbeschreibungen neben beeindruckende Sequenzen im Bereich von Spannung und Dramatik, und selbst ein paar religiöse Klänge ‒ stets eine Stärke von Newman ‒ sind, hier spanisch eingefärbt, zu vernehmen. Das dergestalt Präsentierte ist, nicht nur der längeren Spielzeit wegen, eine ganz andere Erfahrung als die bislang erhältliche, an und für sich recht nah an der Filmversion gehaltene Album-Einspielung.

Das gilt auch für WILL PENNY, von dem einst eine Handvoll Tracks (darunter einer mit der Stimme von Donald Pleasence unterlegt) für eine LP neu eingespielt wurde. Hier haben wir nun die weitaus überzeugendere Filmeinspielung, und Raksin erweist sich kaum überraschend als absolut trittsicher im Mischen von Traditionellem und Zeitgenössischem. Zu Letzterem gehört zum Beispiel der Einsatz eines gezupften Jazz-Basses, aber auch ein wenig Zwölfton-Musik, intensive Dramatik, ebenso innige wie elegante Romantik sowie eine Prise Humor zeichnen die Musik aus. Da sich dies alles im Rahmen von Raksins kultivierter Handschrift abspielt, ist WILL PENNY eine recht eigenwillige Westernmusik, ganz im Zeichen des alles andere als konventionellen Films.

Der Western war kaum das grösste Kompetenzgebiet von Franz Waxman; allzu viele hat er nicht vertont, und CIMARRON war wohl der bislang einzige veröffentlichte. Die kurzen, neu eingespielten Suiten, die von THE FURIES existieren, liessen ‒ und das hätte von Waxman auch niemand anders erwartet ‒ auf keinen 08/15-Westernscore schliessen, und die noch existierenden 23 Minuten der Filmeinspielung bestätigen dies. Zwar wirbelt das Hauptthema schon auch ein bisschen amerikanischen Präriestaub auf (und hat, verwandelt in die unverkennbaren Geräusche einer Dampflok, einen besonderen Auftritt), aber doch dominiert die slawische Seele des Komponisten. Nebst einem kurzen, spanischen Gitarrensolo ist es vor allem das ausgelassene «The King of the Furies», das diese Grundstimmung verlässt und dem vertrauten amerikanischen Westernsound huldigt.

Von Youngs Hauptthema für STREETS OF LAREDO kann man kaum genug kriegen, und der Komponist erfüllt diesen Wunsch. Daneben gibt es mit der traditionellen Cowboy-Ballade «Streets of Laredo» ein zweites wichtiges Element, das vielerlei bearbeitet in Erscheinung tritt, allerdings stets nur instrumental. Obwohl die Musik mehrheitlich romantisch und sentimental ist, rücken schon mal auch Elegie und teils düstere Dramatik in den Vordergrund; letztere besonders effektiv, wenn sie ein zunächst lüpfiges Saloon-Klavier langsam in den Hintergrund drängt. Bei Western-Filmmusik denkt man nicht unbedingt in erster Linie an Victor Young, aber Scores wie dieser belehren einen eines Besseren.

Bei EL DORADO dürfte es sich ‒ dank den Western-Giganten John Wayne und Howard Hawks ‒ um den bekanntesten Film dieses Sets handeln. Die Musik stammt von Nelson Riddle, und sie erfährt hier, zumindest im Original, ihre Erstveröffentlichung. Riddle schreibt ein relaxtes, eingängliches Hauptthema, das im «Main Title» in einen Song verpackt wird. Kaum überraschend vermengt er Tradition mit Pop-Elementen, verwendet etwa E-Bass und Drum-Set. Das leicht jazzige Liebesthema kommt mit melancholischer Mundharmonika daher, Dramatik und Spannung muten oft wie ein Mix aus Schifrin und Fielding an. Mexikanische Folklore rundet diesen auf den ersten Blick zwar locker wirkenden, aber doch recht substanzvollen Score ab.

Walter Scharf assoziiert man wohl am ehesten mit den Komödien von Jerry Lewis. Sein Score zu THREE VIOLENT PEOPLE ist keine typische Westernmusik. Nebst ein wenig Dramatik enthält sie viel Romantik, die auf Scharfs Ballade «My wild and reckless Heart» basiert. Ein sehr interessantes Konzept hingegen legt Johnny Douglas ‒ der sich vor allem als Arrangeur und Dirigent von Easy-Listening-Alben einen Namen machte ‒ mit KID RODELO vor. Seine Musik besteht zum einen aus karger Instrumentation, nebst traditionellen Western-Instrumenten wie Gitarre und Mundharmonika auch Akkordeon, Harfe, Fagott oder Klarinette, zum anderen aus fast schon (gewollter?) Überdramatik, die auch in einem Monsterfilm der 1950er-Jahre nicht deplatziert wirken würde. Auch mit Themen im melancholischen Bereich vermag Douglas zu überzeugen. Wiederum eine ganz andere Geschichte ist WALK LIKE A DRAGON von Paul Dunlap. Dieser Score fällt durch seine Schwermütigkeit auf, die vor allem durch Streicher, Waldhörner, Mundharmonika und Timpani hervorgerufen wird. Das Hauptthema hat der grosse Vokalist Mel Tormé geschrieben, der darüber hinaus nicht nur im Film mitspielt, sondern auch den Titelsong mit seiner einzigartigen Stimme veredelt.

Das temperamentvolle «Prelude» zu THE HANGMAN ist dann wieder Western-Feeling pur, der Mann dahinter ‒ Harry Sukman ‒ versteht etwas vom Genre-Handwerk. Thematisch und dramatisch gut strukturiert, gefällt seine Musik auch im Bereich von Romantik, Nostalgie und Humor. Erfolgreich ans Mitgefühl appellierende, kurze Violin-Soli sind eine weitere Komponente dieses grundsoliden Scores. Von BRANDED haben nur wenige Minuten Musik überlebt, und hier trifft es mit Roy Webb ausgerechnet einen Komponisten, der veröffentlichungstechnisch eh nicht verwöhnt wird. Die vier kurzen Tracks offenbaren in einem zeitweise nicht allzu guten Klang einen traditionellen Ansatz mit einem herrlichen Hauptthema, Folklore, Romantik und etwas Dramatik. Man kann nur erahnen, wie sich dieser Score in seiner kompletten Form mit Webbs zweifellos kompetent verarbeiteten Material präsentiert hätte.

Wie versiert Daniele Amfitheatrof im Western-Genre war, zeigt sich bereits im «Prelude» von COPPER CANYON, wo zwei Hauptthemen auf eindrucksvolle Weise und genre-gerecht vorgestellt werden. Auch wenn die Dramatik im Vordergrund steht (mit einem völlig entfesselten Höllenritt als beispielhafter Höhepunkt in «The Chase»), kommen auch Romantik, Spannung und Humor nicht zu kurz. Amfitheatrof war zwar keiner der ganz grossen Komponisten des Golden Age, gehörte aber stets zum «Best of the Rest», und diesen Status untermauert er einmal mehr mit diesem selbstbewussten Score.

Mit diesem grossartigen Set lädt La La-Land ein auf eine abwechslungsreiche Entdeckungsreise, die aufzeigt, wie sich der Western im Laufe von zwei Dekaden musikalisch entwickelt hat und wo sich nebst den klingenden Namen auch die zweite Garde der Hollywood-Komponisten keine Blösse gibt und Top-Ergebnisse liefert, die sich hören lassen können. Wie komplett oder eben nicht die jeweiligen Scores sind, ist anhand der an und für sich recht ausführlichen Liner-Notes ‒ die aber leider keinerlei Rücksicht auf altersschwache Augen nehmen ‒ nicht immer ersichtlich. Der Klang ist gemessen am zur Verfügung stehenden Material sicherlich so optimal wie möglich, und damit ist diese Box ein Leckerbissen, den man sich tunlichst nicht entgehen lassen sollte, so man denn Western- und Golden-/Silver-Age-Fan ist.

Andi, 6.2.2020

NEVADA SMITH: THE PARAMOUNT WESTERNS COLLECTION

Diverse Komponisten

LLLCD 1502

319 Min.
140 Tracks

Limitiert auf 1000 Stk.