US-Präsident Neil hat ein Problem: Er soll aus dem Amt gemobbt werden, weil er zur Lösung einer außenpolitischen Krise nicht zu Waffengewalt greifen möchte. In seinem Umfeld gibt es nun alte Kriegsveteranen, die Neils diplomatische Einstellung nicht teilen. Daher wollen sie dem Präsidentensohn einen Mord in die Schuhe schieben, um den Vater zum Amtsrücktritt zu zwingen.
Der Film ist besser als sein Ruf. Dem Regisseur gelingt es im ersten Filmdrittel ein Klima zu schaffen, das auch echten Plot-Profis keine Möglichkeit der Vorhersage lässt. Hierzu betrachte man nur die Beischlafszene im Vorspann, und das Agieren der Putzkolonne, die am nächsten Morgen das Weiße Haus säubert. Die Gesichter und die Bewegungsabläufe der Putzkolonne sind so herrlich bizarr und vieldeutig – es ist schwerlich möglich als Zuschauer einen klaren Gedanken zu fassen. Weiter verstärkt wird der Eindruck durch einige Anleihen an Alfred Hitchcock (z.B. wenn Regis erstmals im Regen zum Tatort fährt).
Der richtige Mann für die Komposition der Filmmusik ist – nein – nicht Bernard Herrmann – sondern Christopher Young. Aber ob Young oder Herrmann macht hier keinen großen Unterschied, da Young ohnehin in die Filmmusiken Herrmanns verliebt ist. Die erste Filmmusik mit der Young Kontakt hatte, war ein Album von Herrmanns JOURNEY TO THE CENTER OF THE EARTH (1959). Young war ihr sofort verfallen, und besorgte sich daraufhin alles, was es von Herrmann zu hören gab.
Und so ließ es sich Young nicht nehmen, zu den an Hitchcock erinnernden Bildern in MURDER AT 1600, eine herrmannesque Partitur zu entwickeln. Sicher, in vielen von Youngs Arbeiten steckt immer auch sein Lieblingskomponist, aber das vorliegende Album ist insofern etwas besonders, als dass auch Filmstoff und Bildsprache eine prächtige Vorlage abgeben.
Und so tobt sich Young aus, und ist leidenschaftlich in seinem Element, wenn er Regis mit wabernden Streichern und Blechbläser-Figuren begleitet. Nicht nur, dass Young Herrmanns Musik liebt, man merkt auch den grossen Wert, den er legt, um die Musik seines Meisters weiter zu entwickeln und – in doppeltem Sinne – genüsslich mit ihr zu spielen. So ist der Score zu Beginn eine lupenreine Hommage an Herrmann, und je weiter die Handlung fortschreitet, desto mehr kommt Youngs eigener Personalstil zum Tragen. Und genauso soll es auch sein. Bild, Musik und Handlung passen – anders als beispielsweise in Entrapment – perfekt zusammen und unterhalten prächtig! Bisher hat Intrada das Scoring nur als Promo veröffentlicht mit immerhin 50 Minuten Musik. Desweiter geistern noch diverse Bootleg-Versionen durch die Regale der Filmmusik-Liebhaber, mit über 90 Minuten Spieldauer und diversen «Main Titles» und «End Credits».
Oliver, 19.10.2020
MURDER AT 1600
Christopher Young
Intrada Promo
50 Min.
13 Tracks