La monace di Sant Arcangelo/Storia di una monaca di clausura

Review aus The Film Music Journal No. 33/34, 2005

LA MONACE DI SANT’ ARCANGELO (1969) zog in den Folgejahren eine ganze Reihe artverwandter Produktionen nach sich; ein Genre, das man gemeinhin als «Nunsploitation» bezeichnet, und bei dem es nicht so züchtig zugeht wie in THE NUN’S STORY. Vielmehr handeln diese Filme von Intrigen, Folterungen, sexuellen Entgleisungen, ein wenig nackter Haut und was es sonst noch so alles gibt, um ein Publikum zu bedienen, das seine Fantasie darüber, was hinter Klostermauern wohl so alles abgeht, gerne bestätigt sieht.

Die den hier besprochenen Scores zugrundeliegenden Filme enthalten ein paar der oben erwähnten Ingredienzien. Wer nun aber meint, die CD bestehe aus schlüpfriger oder plakativer Musik, sieht sich getäuscht, denn ohne Kenntnis der Filme (wie in meinem Fall) kann man ohne weiteres annehmen, es mit seriösen historischen Produktionen zu tun haben, zumindest bei LA MONACE DI SANT’ ARCANGELO. Dieser Film basiert auf einer Novelle von Stendhal und erhielt von Piccioni eine geschmackvolle barocke Musik, die im Wesentlichen aus Streichern, Holzbläsern, Orgel und Cembalo besteht. Die «Ouverture in Re minore» stellt das herrliche Hauptthema vor, und der Komponist präsentiert dieses Thema fortan auf klassische Art in «adagio molto», «adagio cantabile», «minuetto» und «andante affettuoso», wo es immer wieder mit Sinnlichkeit, Eleganz, Zärtlichkeit und Melancholie verzaubert.

Düster-morbid kommen die drei «Suite drammatico» daher, die zuweilen ein wenig ans «Dies Irae» erinnern, während sich die Jagdhörner in «Scene di caccia» nicht um die Grundstimmung des Scores kümmern. Von der Ernsthaftigkeit, mit der Piccioni an dieses Projekt heranging, zeugt nicht zuletzt auch der Frauenchor, der in mehreren Tracks mit Orgelbegleitung zu Ehren Gottes singt und wohl bei niemandem zweideutige Gedanken weckt.

Ob Piccioni bei STORIA DI UNA MONACA DI CLAUSURA – eine lose Fortsetzung, die nichts mehr mit Stendhal zu tun hat – mit der gleichen Ernsthaftigkeit zu Werke ging wie bei LA MONACE DI SANT’ ARCANGELO, ist eigentlich eher zu bezweifeln, doch obwohl dieser Score oberflächlicher ausgefallen ist, garantiert auch er ein stimmungsvolles Hörvergnügen. Der «Main Title» ist eine Variation vom Hauptthema des ersten Filmes und erhält nicht weniger als drei Reprisen. Auch «Pop Liturgical» ist nach dem ersten Durchgang mit einer Reprise vertreten. Wie der Titel schon verrät, sind hier Einflüsse der Neuzeit auf das Spiel von Cembalo, Klavier und Holzbläser nicht zu überhören. Gleiches gilt für «Funny minuett». Vom Nonnenchor wird diesmal nur ein Track besungen, und auch Unangenehmes wird weitestgehend ausgeklammert, taucht nur im atonalen «The Devil’s Tail» für einen kurzen Moment auf.

Für romantische Seelen, die thematische Scores lieben, ist diese CD von Piero Piccioni, der im Juli – nur zwei Tage nach Jerry Goldsmith – diese Welt für immer verlassen hat, sehr zu empfehlen. Die Liner Notes schrieb niemand Geringerer als unser Italien-Experte Stefan Schlegel. Und obwohl ihn wie auch viele Sammler der Frust packen dürfte, dass seine Zeilen in derart klitzekleiner Schrift gedruckt sind, dass die meisten Augen davor kapitulieren, macht die Musik dies schnell vergessen. Und das ist ja die Hauptsache.

Andi  |  2005

LA MONACE DI SANT’ ARCANGELO
STORIA DI UNA MONACA DI CLAUSURA
LA MONACE DI SANT’ ARCANGELO / STORIA DI UNA MONACA DI CLAUSURA
Piero Piccioni
Digitmovies CDDM 015
71:53 | 27 Tracks