Marathon Man / The Parallax View

Michael Small ist neben Jerry Fielding der Komponist der 70er Jahre, der mit dem CD-Ausstoss der letzten Jahre eine wahre Renaissance erleben durfte. Etwas was den viel zu früh verstorbenen New Yorker zweifellos gefreut hätte, insbesondere da mit Klute, The Star Chamber, Comes a Horseman und nun dem Doubleheader Marathon Man/The Parallax View einige seiner besten Werke herausgekommen sind.

Ganz besonders gespannt durfte man auf die Zusammenstellung Marathon Man/The Parallax View sein, zwei 70er Thriller, die ich ganz besonders mag. Marathon Man ist nach der Originalvorlage von William Goldman entstanden und wurde von John Schlesinger mit einem tollen Staraufgebot (Dustin Hoffman, Roy Scheider, Lawrence Olivier) inszeniert. Am meisten im Gedächtnis dürfte die Zahnfolterszene haften, die damals in einigen Ländern sogar gekürzt gezeigt wurde. Den Film nur auf diese Sequenz zu beschränken wird ihm freilich nicht gerecht, denn der Stoff, den Goldman hier verfasst hat und die tollen Schauspieler geben doch einiges mehr her.

The Parallax View ist ein wunderbar intrigant aufgebauter Thriller von Alan J. Pakula, einer der „beispielhaftesten“ Paranoiathriller, der sich mit der Aufdeckung einer Organisation beschäftigt, die hinter Attentaten an namhaften Politikern zu stecken scheint und so die Geschicke der USA lenken will. Warren Beatty spielt hier den recherchierenden Journalisten in einem gradlinigen und eiskalten Thriller. Der Film war damals nicht sonderlich erfolgreich, was unter anderem an der mangelnden PR-Unterstützung von Beatty (Shampoowar ihm wichtiger) und Produzent Robert Evans (der Chinatown mehr Aufmerksamkeit schenkte) aber auch an dem für viele Zuschauer sicher schockierenden Ende gelegen haben mag.

Beide Musiken sind durchaus vergleichbar und ergänzen sich hier ideal. Wie Marathon Man hat auch The Parallax View ein Hauptmotiv, das Small zu einem sich nostalgisch anfühlenden Trompetenthema ausdehnt. Auch die Gestaltung und das Ambiente der Spannungstracks sind sich durchaus ähnlich. In Car Chase von Parallax geht Small in die Vollen mit funkig, jazzigem Blech und Schlagzeug. Für Marathonbedient sich der Komponist desöfteren eines Synthesizers für die Spannungsmomente, der in Parallax zwar auch, aber etwas zurückhaltender Verwendung findet. Typisch für beide Scores sind die kurzgehaltenen, in sich greifenden und modulierten 2 bzw. 3 Noten Suspensemotive.

In Parallax View hören wir mit Parallax Test ein 5 Minuten dauerndes Stück, das Beatty beim Absolvieren eines Einschätzungstests zeigt, für den Pakula die unterschiedlichsten Bilder von Heimat, Trauer, Gewalt etc. (in der Manier einer nicht unähnlichen Szene aus Clockwork Orange) zusammengeschnitten hat. Vom Timbre her hebt sich dieser Track deutlich vom Rest des Scores ab: Interessant ist die Verbindung von zeitgenössischer Popmusik mit Americana. Dieses Americana-Idiom verwendet Small auch als Schlusstitel (End Title), hier von einer Marschkapelle intoniert und dem Ganzen so einen desillusionierten Triumph aufsetzend.

Für den Helden von Marathon Man, Dustin Hoffman, gibt es ein verklärtes, wehmütiges Hauptthema, das Small in diversen Variationen einsetzt, zB. zu Beginn in Abwechslung mit anderen Hauptelementen des Scores unter der Sequenz mit Babe/Hoffman, der im Central Park dem Rennen fröhnt, als Liebesthema in Love Scene und als eine Art klagender Abschluss in End Credits.
In Parallax verzichtete Small auf ein Hauptthema für den Helden. The Parallax View ist wesentlich sparsamer in Sachen Musikdauer und Small weiss, worauf es hier ankommt: Es ist die nie ganz zur Erklärung kommende Organisation, die am Schluss obsiegt und Small ordnet dies in seiner Komposition schon früh ein.

Auch wenn es nicht ganz einfach ist die beiden doch recht bedrückenden und von Spannungsmusik dominierten Scores hintereinander anzuhören, so ist FSM doch eine bemerkenswerte Veröffentlichung gelungen, wobei das Label hier, nicht wie einige andere, nicht auf zwei separate Alben gesetzt hat. Das kommt ja doch desöfteren vor.

Will man ausführliche Track-by-Track Texte und zusätzliche Infos zu den Filmen, so kann/muss man diese über die FSM Homepage ausdrucken. Doch auch ohne diese geben die Liner Notes von Scott Bettencourt und Jeff Bond gute Einblicke zu Film und Musik.

Was darf man sich von Small in Zukunft wünschen? Ganz vorne stehen The Stepford Wives, The Postman Always Rings Twice, Rolloversowie eine weitere Arbeit für Alan J. Pakula, Dream Lover. Interessant wären für mich auch der John Belushi/Amblin Flop Continental Divideund der Gene Hackman Thriller Target von 1985.

Phil, 19.6.2010

 

MARATHON MAN / THE PARALLAX VIEW

Michael Small

FSM Silver Age Classics 
Vol. 13 No. 5

78:36 Min. / 49 Tracks

 

 

 

 

 

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