A Man Called Peter (FSM)

Review aus The Film Music Journal No. 28, 2002

Über einen Zeitraum von 20 Jahren hinweg, nämlich von 1940 bis 1960, war Alfred Newman Chef der Musikabteilung der 20th Century Fox und hatte damit den vielleicht einflußreichsten und bedeutendsten Posten inne, den je ein amerikanischer Filmkomponist bis in die Gegenwart hinein erklommen hat. Newman nutzte diese außerordentliche Begünstigung in musikalischer Hinsicht nicht nur zur Förderung junger Talente wie Bernard Herrmann, David Raksin oder Hugo Friedhofer, sondern züchtete in dieser Zeit auch das legendäre Fox-Orchester heran, das für seine unnachahmliche Virtuosität und seine leuchtkräftige Streichersektion geradezu legendär wurde, und über das er wie Gottvater schalten und walten konnte wie es ihm beliebte.

Viele von Newmans feinsten Scores sind inzwischen schon in kompletten Fassungen auf Tonträger vertügbar, und bei dem enormen Output des stets in verschiedenen musikalischen Arbeitsbereichen tätigen Tausendsassas bleibt es natürlich nicht aus, daß einige Werke kompositorisch nicht mehr denn routiniertes Handwerk darstellen. Mit A MAN CALLED PETER (1955) hat das unermüdlich im Fox-Archiv nach musikalischem Soundtrack-Gold suchende FSM-Label eine wahre Perle vor dem geneigten Hörer ausgebreitet, von der bislang nur das Finale auf dem Varèse-Sampler 20TH CENTURY FOX: MUSIC FROM THE GODLEN AGE vorlag.

Allgemein bekannt dürfte ja sein, daß Newman stets eine ausgesprochene Vorliebe für religiös motivierte Stoffe bekundete und hierbei zu wahren Spitzenleistungen auflaufen konnte – genannt seien nur THE SONG OF BERNADETTE (1943), THE ROBE (1953) oder THE DIARY OF ANNE FRANK (1959). Auch A MAN CALLED PETER reiht sich nahtlos in diese Linie ein und steht den Vorbildern hinsichtlich ausgefeilter feinmotivischer Arbeit und melodischer Leuchtkraft kaum nach. Das vom schon für THE ROBE verantwortlichen Regisseur Henry Koster mit Richard Todd und Jean Peters in den Hauptrollen inszenierte Porträt des presbyterianischen Pfarrers Peter Marshall (1902 – 1949) aus Schottland, der als Senatspfarrer nach Washington berufen wurde, inspirierte Newman zu einer wahrlich beseelten, lyrisch-elegischen Partitur, deren Höhepunkte in jenen satten Streicher- und Holzbläserpassagen zu finden sind, die kraft ihrer Intensität eine fast schon spirituell-transzendente Wirkung auf den Hörer ausüben können.

Die besondere Magie, die Newman zusammen mit dem einfach fantastisch aufspielenden Fox-Orchester hier hervorzaubert, ist in ihrer Art einzigartig und deshalb auch beinahe unmöglich zu kopieren, weshalb auch die meisten Newman-Neueinspielungen, selbst jene vom engagierten Marco Polo-Team John Morgan und William Stromberg, zum Scheitern verurteilt sind. Bei Newman genügt es nicht nur, die Musik möglichst notengetreu nachzuspielen, vielmehr zählt das Surplus: die Patina der Streichervibrati, die das Herzstück seiner besten Soundtracks ausmachen. Diese erfordern eine Spielweise, wie sie den heutigen Orchestern zumeist sehr fremd geworden ist und wie sie sich so mühelos unter Newmans eigenem imposanten und emotionalen Dirigat herstellt. Angemerkt sei an dieser Stelle, daß es im Prinzip nur Charles Gerhardt bei seinen Classic Film Scores in den 70er Jahren gelungen ist, den Newman-Sound in einer überzeugenden, wenn auch gedämpften, Neuinterpretation wiederaufleben zu lassen.

Der Score zu A MAN CALLED PETER zentriert sich um insgesamt drei Themen, deren gemeinsames Merkmal ihr warmherziger Gestus ist, und die Newman raffiniert miteinander zu verzahnen weiß. Der «Main Title» stellt das vitale, ausladende und energische Peter-Thema vor, das zunächst vom ganzen Orchester, dann von einzelnen Holzbläsern intoniert wird und eine deutliche Verwandtschaft zum englischen Volkslied «Greensleeves» aufzeigt. Das Peters Frau Catherine zugeordnete Thema ist eine jener sehnsuchtsvollen, leidenschaftlich sich in immer höhere Regionen aufschwingenden Streicherkantilenen, wie sie in solch berückender Form nur von Newman stammen kann. Wie geschmeidig und feinfühlig Newman diese beiden Themen ineinander fließen läßt, zeigt die Szene, in der Peter um die Hand von Catherine anhält: Ein bukolisches Stimmungsbild mit abwechselnden Holzbläsersoli (Klarinette, Oboe, Englischhorn) und Streichertutti wird zelebriert, während sich zugleich ein endloser an- und abschwellender melodischer Rausch entfaltet, den man einfach nur genialisch nennen kann. Glutvolle und innige Romantik, zugleich weit entfernt von allem, was man mit der Bezeichnung Kitsch geißeln könnte.

Ein drittes, sehr hymnisch und feierlich angelegtes Thema für das gelobte Land Amerika zieht sich ebenfalls wie ein roter Faden durch den Score. Diese Melodie hat Newman aus seiner Komposition zu YOUNG MR. LINCOLN (1939) von John Ford entlehnt, wo sie die tragische Liebesbeziehung zwischen dem jungen Lincoln (Henry Fonda) und Ann Rutledge thematisierte. (Ford selbst hat dieses Thema – das sogenannte Ann Rutledge-Thema – in seinem ansonsten nicht von Newman, sondern von Cyril J. Mockridge, vertonten späten Western-Meisterwerk THE MAN WHO SHOT LIBERTY VALANCE (1961) noch einmal verwendet, weil er selbst so großen Gefallen daran gefunden hatte).

So ergibt sich insgesamt ein prächtiger lyrischer Soundtrack, den man allein wegen der emphatischen Melodik zu Newmans schönsten aus den 50er Jahren zählen sollte. FSM präsentiert in 37 Tracks den kompletten Soundtrack in chronologischem Ablauf, was bedeutet, daß nicht nur Newmans Eigenanteil mit 38 Minuten auf der CD Platz gefunden hat, sondern auch ca. 20 Minuten an Source Music, die hauptsächlich aus gesungenen Traditionals und Orgelstücken besteht. Leider wurden diese Tracks nicht separat ans Ende der Scheibe als sogenannte Bonus Cues gestellt, sondern mitten hinein ins Newmansche Geschehen, wo sie meines Erachtens schon desöfteren den Hörfluß etwas beeinträchtigen. Die Tonqualität ist gemessen am Alter der Masterbänder trotz geringer ab und an sich meldender Störgeräusche noch als recht gut zu bezeichnen, und die Aufnahmetechnik hat sogar für Stereoklang gesorgt.

Wer an den gefühlvollen Klängen eines Alfred Newman seine Freude hat, sollte sich diese Scheibe in jedem Fall zulegen. Doch auch wer bisher eher etwas Scheu gegenüber diesem Komponisten an den Tag gelegt hat, darf sich hier auf ein musikalisches Festmahl der allerersten Güteklasse freuen.

Stefan  |  2002

A MAN CALLED PETER
Alfred Newman
Film Score Monthly
58:14 | 37 Tracks