Als LOVE FIELD 1993 bei Varèse erschien, war zunächst die Enttäuschung ob der lediglich 28 Minuten Spielzeit recht gross. Varèse war bekannt oft Kurzversionen zu veröffentlichen, pendelte aber inzwischen auch mal die 40 und 45 Minuten Marke an. Irgendwann kam der Film, für den sich Michelle Pfeiffer eine Oscar-Nomination holte, dann bei uns auch in die Videostores und es wurde beim Schauen des Films klar, dass Jonathan Kaplans Streifen wenig Goldsmith enthielt. Inzwischen ist viel Gras über LOVE FIELD gewachsen, der während des Kennedy-Attentats spielt und von einer unglücklichen Kurzbeziehung ausgerechnet im tiefsten Süden des Landes zwischen einer Weissen (Pfeiffer) und einem Schwarzen (Dennis Haysbert – Denzel Washington ersetzend, der kurz vor Drehbeginn absprang) erzählt.
Fans hofften auf eine längere Version von Goldsmiths Score, so diese tatsächlich existierte. Und siehe da, es gibt tatsächlich mehr Musik und eine Geschichte dahinter, die bisher kaum bekannt war, denn die Mächtigen, allen voran eine Produzentin, die auch Star des Films war und ein unglückliches Timing (Orion Pictures war damals in der Auflösung begriffen) führten zu Unzufriedenheiten. Kaplan, der die Zusammenarbeit mit Goldsmith schätzte, blieb nichts übrig als klein beizugeben. Immerhin konnte er seinerseits Bill Payne zusteuern, der einige bluesige Solo-Klavierstücke für den Film schrieb. Musik von Goldsmith blieb zwar im Film, aber Tracks wurden rausgeschmissen, gekürzt und verschoben.
Lange habe ich LOVE FIELD nicht mehr gehört und so hat sich Vorfreude breit gemacht, die aber mit dem ersten Durchhören der CD wieder einen Dämpfer erhielt – war der Grund für die Hörabstinenz also eigentlich abseits der Länge der Scheibe gegeben? Goldsmith setzte nach TOTAL RECALL (1990) vermehrt auf «People-Filme», Filme mit «echten» Schicksalen, Emotionen und weniger Action. Einige wundervolle Werke wie THE RUSSIA HOUSE (1990) und RUDY (1993) kamen dabei heraus, anderes wie ANGIE (1994) ist in Vergessenheit geraten. LOVE FIELD zählt ebenfalls nicht zu den herausragenden Werken Goldsmiths in dieser Phase, obwohl der Film sicher alles andere als Action oder Thriller ist. Die Vorlage wäre da gewesen, die Umstände insgesamt allerdings ungünstig. Der Score hat gute Ansätze, ein schönes Hauptthema, für das Goldsmith immer gut war, ein hübsches «Familienthema» und beim zweiten Durchhören vermag LOVE FIELD doch ein Mehr an Hörlust zu vermitteln.
Problematisch ist das bluesige, kurze Pianoriff, das im Score öfters angespielt wird, fügt sich dennoch recht schwerfällig und manchmal wie ein Fremdkörper in den Score ein. Dieser beginnt mit «Family Album», mit einem kurzen Synthesizer-Intro, eben diesem Blues-Motiv, gefolgt vom Hauptthema des Films, gespielt von einer Querflöte. Dieser Track wurde im Film, es begann früh, von einem Song ersetzt. In «The Assassination» spielt Goldsmith musikalisch die dramatischen Geschehnisse in Dallas, das Attentat auf John F. Kennedy, an: Trompete (obschon seitens des Orchesters keine aufgeführt ist, möglicherweise ist es eben doch ein muted French Horn), Snares, vordergründige, dramatische Streicher und ein wie ein Herzschlag pulsierender Synthierhythmus sind in diesem Stück zu hören, dass sich vom Rest des Scores deutlich unterscheidet. Eine gewisse Melancholie begleitet Goldsmiths Komposition in vielen Tracks, so in «The Note» oder «On the Bus», wo Klarinette, Flöte und Streicher den Hauptharst bilden. Gerade im letzten dieser beiden Stücke erscheint das Blues-Piano wieder ausgesprochen laut und eigenartig fremd erscheinend. «The Accident» ist einer der wenigen spannend-dramatischen Stücke mit den unverkennbaren Rhythmuswechseln, 7/8 Takten und natürlich pulsierender Elektronik. Auch hier sind die leiseren Töne federführend, gegen Ende aber ein mulmiges Gefühl hinterlassend, ausklingend. Ebenfalls mit Synthie und unheilvolle Spannung verheissend, ist «The Photos» ausgefallen. «Lost Luggage», eines der besten Stücke des Scores und mit über 10 Minuten (wovon nur etwa 6 im Film verblieben) der längste Track von LOVE FIELDS, intensiv geführt, hin und her schwankend – selbst der hier verfremdet erscheinende Blues-Piano Moment ist geschickter eingepasst. Wenn die Violinen das Hauptthema übernehmen, ist durchaus ein bisschen FOREVER YOUNG (1992) zu erahnen. Diese Intensität verpackt Goldsmith erst wieder in «Roadside Incident», während «What’s Going On?» zurückhaltendere Spannung vermittelt (à la «The Accident»). Ein weiteres Motiv kehrt in «Repairs» wieder, während «The Map» Wärme verspüren lässt. Eindringlicher ist wieder das sechseinhalb-minütige «The Motel», ehe Goldsmith mit dem wirklich feinen, fast RUDY-mässig die feinen Härchen anregenden «Together Again» alle losen und intakten musikalischen Verbindungen vereint (Blues-Riff, Hauptthema und family theme in einer besonders schönen Version, Pauls Motiv etc.) und den Score zum Abschluss bringt. Im Film jedoch wird für die Schlusstitel wieder Bill Paynes Musik verwendet.
Insgesamt 55 Minuten Goldsmith und 17 Minuten Bill Payne präsentiert die Club-Edition, die exzellente Liner Notes von Tim Grieving bietet. Dankenswerterweise sind die Payne-Tracks hinter den Goldsmith-Score platziert und nicht kunterbunt reingemischt worden. Paynes Musik ist um vieles emotionsloser als Goldsmiths Filmscore, sie hat eher einen Touch Hintergrundmusik. Aber eben, wenn es zu Problemen mit einem Film kommt, so ist die Filmmusik bald als Sündenbock ausgemacht. Ob allerdings Goldsmiths Komposition allein den Film vor dem Vergessen bewahrt hätte, bleibt zu bezweifeln.
Übrigens, bin nur ich es oder höre ich ein einigen wenigen Stücken ein leichtes Verzerren?
Jonathan Kaplan und Jerry Goldsmith würden trotz des Erlebnisses mit LOVE FIELD wieder aufeinandertreffen und für BAD GIRLS (1994) einen mitreissenden Score produzieren. Das zeigt auch Grösse, manch ein Komponist hätte den Regisseur für den Umgang mit der Musik (bei LOVE FIELD) mitverantwortlich gemacht und diesen für immer in die Binsen gewünscht.
Phil 21.09.2021
LOVE FIELD
Jerry Goldsmith
Varèse Sarabande Club
72:13 Min.
32 Tracks