LITTLE WOMEN ist ein Stoff, der beinahe traditionell Spannung bei Filmmusikfans auslöst: Max Steiner komponierte 1933 für George Cukor, in der 1949er Version von Mervyn LeRoy war Adolph Deutsch für die Musik besorgt, für den TV-Zweiteiler von 1978 komponierte Elmer Bernstein und 1994 verzauberte uns Thomas Newman.
Beim neusten LITTLE WOMEN ging es mir wie mit einer
Ansichtskarte: Man schaut sich das schöne Foto an, wow, dreht die Karte um und
liest die immer gleichen Wünsche aus dem Urlaub. Alexandre Desplats Musik
beginnt furios mit dem Stück «Little Women», doch danach? Ich bin immer wieder
erstaunt wieviel Potential ein Desplat Score hat und doch kommt er oft nicht in
den Bereich, der das gewisse Etwas hat, verharrt in seinen gleichbleibenden
Orchestrationen – «The Letter» ist so ein Beispiel: Ein Motiv, Orchesterfarben
wie gehabt, die gegen Ende des Stücks stete Steigerung der Lautstärke und…
Punkt.
Immer wenn der Franzose in Greta Gerwigs Film die eingeschlagene Linie ein
bisschen verlässt, dann kann man sich ausmalen wo die Reise hätte hingehen
können. Doch diese Momente sind leider recht rar. Einmal blitzt es auf, hier im
feinen «Christmas Morning», wenn Holzbläser, ja gar eine ausgesprochen
prominente Klarinette sich solistisch in Szene setzen um dann wieder im
Streicher-, Harfen- und Piano-Kleid zu verschwinden. Wie wohlig ist da «Amy,
Fred, Meg and John» oder das energiegeladene, aber kurze «Dance on the Porch», die,
ich übertreibe jetzt etwas, mehr Esprit und Pfiff haben als der Grossteil des
Scores zusammen.
Es fehlt mir bei LITTLE WOMEN an Diversität, sprühender Energie, einem schwelgerischen Hauptthema (zu oft spielt Desplat es an und bricht es rasch wieder ab), einem Spiel mit Klangfarben, an- und abschwellen (fast wie es in «It’s Romance» ausgeführt ist). Freilich, «Carriage Raid» ist ein hübscher, quirliger Track. Bloss verstehe ich nicht wieso auch hier die Klaviere eine dermassen dominante Stellung einnehmen müssen, wo Desplat den Teppich zu Beginn doch so gelungen mit den Streichern ausgebreitet hätte. Mir scheint LITTLE WOMEN öfters gehetzt, so als bliebe Desplat nicht genug Zeit – und sieht man sich die Laufzeit der CD und die Anzahl der Tracks an, erhärtet sich dieses Gefühl.
Beileibe ist LITTLE WOMEN kein schlechter Score, natürlich nicht. Das gibt es bei Desplat ebenso wenig, fast wie ein Jahr ohne Oscarnomination, die ihm mit diesem Film und Score quasi in den Schoss gefallen ist. Aber es ist nicht die LITTLE WOMEN Komposition, von der ich mir mehr einiges versprochen habe. Fein eingespielt ist das, gut gemacht auch und es gibt durchaus zwei, drei gelungene Motive (hübsch in «The Beach»).
Phil, 5.2.2020
LITTLE WOMEN
Alexandre Desplat
Sony Music
63:38 Min.
26 Tracks